Noch immer schwelt die Glut
dann fragte ich die Frauen, die sie hüteten, ob Fogacer im Hause sei, und als ich hörte, er sei mit Silvio und Giacomi in meinem kleinen Kabinett, lief ich wieder treppab und fand sie alle drei im Gespräch. Freudig begrüßten wir einander, Fogacer fragte mit seinem gewundenen Lächeln, ob ich mit meiner Reise zufrieden sei und dem König gute Nachricht brächte, was ich bejahte, ohne aber mehr zu sagen, wußte ich doch nicht, wie weit Seine Majestät ihn ins Vertrauen gezogen hatte.
»Ha,
mi fili
«, rief er, »das wird Heinrich guttun, denn seit du fortgingst, traf im Louvre ein Unglücksbote nach dem anderen ein. Ich weiß nicht, wie viele Städte und Festungen kampflos gefallen sind, sei es durch List, sei es durch Korruption, sei es durch andere ehrlose Mittel, und unser armer König muß zusehen, wie ihm das Reich in Stücke fällt. Den Tanz eröffnet hat Guise selbst mit der Einnahme von Châlons-sur-Marne, wo er sein Kriegsvolk sammelt. Hinzu kamen Toul und Verdun. Sein Bruder Mayenne nahm Dijon, Mâcon, Auxonne. Monsieur de La Châtre rächte sich dafür, daß Epernon ihn der Hauptmannschaft Loches enthob, indem er Bourges auslieferte. Guises Verwandte und Spießgesellen Elbœuf, Aumale und Mercœur haben die Normandie, die Picardie und die Bretagne zum Abfall bewegt. D’Entragues hat Orléans eingenommen.«
»Mehr nicht?« sagte ich entsetzt.
»Gott sei Dank, ist der Süden standhaft geblieben. In Marseille scheiterte das Manöver der Liga, und die Ligisten wanderten sämtlich an den Galgen. Toulouse und Bordeaux blieben königlich. Epernon hat Truppen nach Metz verlegt, so daß Guise es nicht anzugreifen wagte. Troyes, das zuerst gefallen war, ist wieder in königlicher Hand.«
»Dann ist noch nicht alles verloren!« rief ich.
»Ha,
mi fili
!« sagte Fogacer, die diabolischen Brauen wölbend, »daran erkenne ich wieder deinen unverwüstlichen Optimismus!«
»Weil ich denke, Gott kann nicht zulassen, daß die Bösen siegen«, sagte ich.
»Deus non est neque diabolus«,
1 versetzte Fogacer, ein Blitzen in den nußbrauen Augen.
|262| »Ehrwürdiger Doktor der Medizin!« rief Giacomi, »um der gebenedeiten Jungfrau willen beschwöre ich Euch, nicht so zu reden.«
»Was sagtet Ihr, Monsieur?« fragte Silvio, der Fogacer stets mit der größten Höflichkeit ansprach, trotz oder vielleicht gerade wegen ihres vertrauten Umgangs.
»Nichts, was der Wiederholung wert wäre«, sagte Fogacer, um Silvio nicht mit seinem Atheismus anzustecken, der die Gefahr des Scheiterhaufens barg. »Ich habe nur lateinisch gekrächzt wie die Pedanten der Sorbonne.«
»Fogacer«, sagte ich lächelnd, doch nicht ohne eine gewisse Strenge, »Euer lateinisches Gekrächz hätte Angelina nicht sehr gefallen! Ihr habt geschworen, derlei in diesem Hause zu unterlassen.«
»Pierre!« rief Fogacer errötend und nahm eine so naive und entwaffnete Miene an, daß er nicht mehr Beelzebub, sondern einem Kinde glich. »Bitte, verratet mich nicht! Sie würde mich tadeln oder womöglich den ganzen Tag lang nicht mit mir sprechen!«
Lachend versprach ich es, dann verließ ich die drei mit der Entschuldigung, daß ich rasch weitermüsse, und eilte in Mirouls Begleitung davon.
Im Laufschritt erstieg ich die Treppen im Hause Quéribus, wo Angelina einen solchen Freudenschrei ausstieß und mich mit so vielen Küssen begrüßte, daß ich mich zugleich als der glücklichste der Sterblichen und der schwärzeste Verräter fühlte, der je auf Erden lebte. Ah, gewiß weiß ich, daß solche Gefühle in Paris und am Hof kaum mehr Mode sind. Aber sosehr Alizon mich auch immer als höfischen Gecken verspottete, bin ich es doch nur dem Anschein nach; im Innern bin und bleibe ich Provinzler und Hugenotte.
Indessen riß ich mich bald von Angelina, von Catherine und Quéribus los, dem ich herzlich für seine Eskorte dankte, so sehr drängte es mich, den König zu sehen und ihm das glückliche Scheitern der Liga in Boulogne zu vermelden. Quéribus jedoch stellte mir vor, daß ich in meinem reisestaubigen und verschwitzten Zustand nicht vorm König erscheinen könne, dazu habe Seine Majestät eine zu feine Nase, und schleunigst ließ er mir ein Bad bereiten und gab mir frische Kleider, damit ich der guten Nachricht, die ich überbringen wolle, würdig sei. |263| »Wer sagt Euch denn, Herr Bruder, daß sie gut ist?« rief ich. »Euer strahlendes Gesicht!« war die Antwort.
Ich fand den König gealtert, sein Gesicht aufgequollen und erdfarben, die
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