Noch immer schwelt die Glut
unentschieden, daß ich nicht wußte, zu welcher Partei er gehört.«
»Monsieur de Bernay«, rief Le Pierre lachend, »ist seine eigene Partei, das ist alles! Trotzdem ist er ein ehrenhafter Mann. Guise hat ihm zwanzigtausend Ecus angeboten, wenn er ihm Boulogne auslieferte, und er hat abgelehnt. Allerdings ist er reich genug, wenn auch etwas weniger, seit er diese hohe Dame geheiratet hat, die zwar aussieht wie ein Engel, aber sie ist ein ziemlich verschwenderischer Engel. Gott sei Dank, hat Madame Le Pierre mehr Verstand im kleinen Finger als besagte Dame in ihren zwei Händen, durch die das Geld nur so davonrauscht. Doch um auf Monsieur de Bernay zurückzukommen: Seit er Guises Angebot ausgeschlagen hat, fürchtet er dermaßen seine Rache, daß er sich fast in die Hosen scheißt, wenn er nur den Namen hört! Deshalb macht er sich jetzt aus dem Staub. Nun, desto besser für mich! Dann habe ich hier die Ellbogen frei, und, Donnerschlag!, ich werde dem Verräter Vétus das Handwerk legen, daß man in Boulogne und Umgebung noch lange davon redet!«
Ja, Hauptmann Le Pierre hatte das Herz auf dem rechten Fleck, und weil ich am Ausgang der Sache nicht zweifelte, hätte ich gern zum Aufbruch geblasen, so drängte es mich, den König zu beruhigen. Doch einerseits bat mich Alizon, die ihren Putz bei den Damen der Stadt gut verkaufte, noch ein paar Tage zu bleiben, damit sie auch ihren restlichen Vorrat losschlagen könne. Andererseits brannte Le Pierre so sehr darauf, sich vor den Augen eines
missus dominicus
1 auszuzeichnen, der dem Herrscher davon berichten konnte, daß er, ohne die Bitten meiner kleinen Feuerfliege zu kennen, diese noch verstärkte, indem er mir sagte, er habe einen Kundschafter ausgeschickt, die Truppenstärke des Herzogs von Aumale festzustellen, und einen anderen, ihm das Nahen des Vogtes Vétus zu melden, der jeden Tag erwartet wurde, weil er alle Vierteljahre den Sold für die Garnison herbrachte, und wenn ich ein wenig verweilen würde, könnte ich dessen Niederlage mit eigenen Augen sehen.
|256| Das überzeugte mich, und ich blieb, zur großen Freude von Alizon, die sehr zufrieden war, so gute Geschäfte zu machen und vielleicht auch, meine Ehehälfte zu spielen. Denn sie gab diese Rolle nicht nur am Tisch des Gasthofs, auch wenn des Nachts eine Maus sie schreckte, flüchtete sie sich in mein Zimmer, so daß ich, aufgeregt durch ihre Nähe, auch nicht schlafen konnte, oder sie wollte sich bei mir wärmen, weil die Nächte in Boulogne so kalt waren.
Überm Warten verrannen acht Tage, und acht ebenso abwechslungsreiche wie unbequeme Nächte, war ich zwischen meinen gegensätzlichen Wünschen doch hin und her gerissen. In der Frühe des neunten Tages kam Hauptmann Le Pierre mich mit einem Helm und einem Kettenhemd wecken, die er mich anzulegen bat. Er wollte mich auf den Mauern dabeihaben, denn seinem Kundschafter zufolge war Vogt Vétus nur noch zwei Meilen von der Stadt entfernt.
Und so sah ich denn mit diesen meinen Augen, wie der Vogt mit seiner starken Eskorte herangezogen kam und wie ein Sergeant ihm von der Höhe herab bedeutete, er möge sich am Osttor einstellen, wo ihn eine scharfe Attacke erwartete. Denn kaum waren der Verräter und seine fünfzig Mann durchs äußere Tor gelangt, schon triumphierend: »Gewonnene Stadt, genommene Stadt!«, als nicht die Zugbrücke vor ihnen herunterging, sondern das Fallgatter hinter ihnen fiel und an hundert Arkebusiere, die von allen Seiten aus ihren Verstecken auftauchten, mit gezündeter Lunte auf sie anlegten. Hauptmann Le Pierre aber rief den Schuften zu, sie sollten ihre Waffen strecken, sonst würden sie sämtlich niedergemacht.
Sie gehorchten, und nachdem man sie entwaffnet hatte, wurden sie geradewegs zum Kerker geführt, verhöhnt und bespien vom niederen Volk in den Straßen. Nun wurde das Fallgatter wieder aufgezogen, als stünde das Tor jedermann offen. Und man brauchte nicht lange zu warten. Der Reiter, den Hauptmann Le Pierre ausgesandt hatte, kam mit verhängten Zügeln und meldete, daß der Herzog von Aumale sich mit zweihundert Berittenen und dreihundert Mann Fußvolk nahe.
»Ha!« sagte Le Pierre zu meiner Rechten, »zweihundert Berittene, das ist viel! Ich habe sechzig in dem Wäldchen, das Ihr dort rechter Hand seht, und an die hundert Arkebusiere. Meine Kanone steht auf dem Ostwall bereit, die werde ich weidlich |257| tanzen lassen, aber meine Kavallerie reicht nicht aus, den Schuft von Herzog zu umzingeln und
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