Noch immer schwelt die Glut
»jedenfalls in Punkto Moral, keine zweitausend Ecus aufwiegen würde! Außerdem habe ich keine Macht über die goldenen Huren der Königinmutter. Da sie mich schon mit ihren Ministern umstellt, erspart sie mir, Gott sei Dank, wenigstens ihre Spioninnen!«
»Sire«, sagte ich, »nicht danach verlangt es mich, sondern nach Eurer Pillendose, die Ihr mir für Boulogne verspracht.«
»Sie ist dein, Siorac!« sagte der König, indem er sie von seinem Gürtel löste.
»Sire!« rief Du Halde vorwurfsvoll, »Ihr gebt alles her! Aber von dieser Pillendose könnt Ihr Euch nicht trennen, die hat Euch die Königinmutter geschenkt.«
»Die Königinmutter ist Ligistin«, murmelte der König. »Wer weiß, ob sie sie mir nicht eines Tages wegnimmt, um damit Guise zu beglücken!«
»Ach, Sire«, sagte Du Halde, »Ihr scherzt.«
»Auf jeden Fall sehe ich sie lieber in Sioracs treuen Händen. Unter der Bedingung freilich, daß er damit nicht am Hof paradiert, solange meine Mutter mir die Ehre erweist, hier zu wohnen.«
Beim himmlischen Hafen! Mir flogen die Füße, als ich vom König ging, die Pillendose in der tiefsten Tasche meines Wamses. In meiner kindischen Freude hatte ich das Unglück des Reiches fast vergessen. Gewiß, Onkel Sauveterre hätte gesagt, ich hätte einen schlechten Tausch gemacht mit dieser goldenen Dose, die keine sechshundert Ecus wert war, und vielleicht hätte er mir in seiner hugenottischen Denkweise sogar vorgeworfen, es sei sträfliche Vergötzung, daß ich diesen Gegenstand so unendlich schätzte, weil der König ihn besessen hatte. Aber, |268| kann ein Franzose, der seine Nation liebt, seinen Fürsten nur halb lieben oder ihm nur halb treu sein, vor allem, wenn dieser so liebenswert ist und einen durch seine Wohltaten ebenso beglückt, wie er einen durch seine Traurigkeit rührt?
Übrigens sollte mir die Pillendose einmal das Leben retten, wie ich noch erzählen werde, nicht etwa, indem sie mir einen Arkebusenschuß vom Leibe hielt, sondern auf ganz andere Weise, denn ich trug sie keineswegs mit mir herum, damit zu prahlen, vielmehr zeigte ich sie allein Angelina, als ich nach Hause kam, dann verschloß ich die königliche Gabe auf alle Zeit im Geheimfach des kleinen Sekretärs, der in meinem Zimmer stand. Und als ich durch die verbindende Tür hörte, daß Angelina das ihre betrat, ging ich zu ihr, nahm sie innig und fest in meine Arme, küßte ihr Hals und Ohr und sagte ihr zwischen zwei Küssen, wie schön, wie lieb, wie süß sie sei und wie unendlich ich sie liebte. Und weil mich dabei das schlechte Gewissen der unrühmlichen Rolle wegen biß, die ich von Boulogne bis Paris gespielt hatte, suchte ich das unbehagliche Gefühl zu vertreiben, indem ich meine Zärtlichkeiten steigerte. Angelina lachte über die ungewohnte Stunde, nicht ohne einige Abwehr, wie es ihre Art war, doch ich legte den Riegel vor und führte sie zu ihrem Lager.
Nach dem ersten Sturm begannen wir leise zu plaudern, einer öffnete dem anderen sein Herz, ich auf einen Ellenbogen gestützt und ihre schönen Rehaugen betrachtend, die andere Hand auf ihrer Brust, die mich immer wieder entzückte. Unter anderem fragte ich sie, warum sie Fogacer so ungezwungen und liebevoll, Giacomi aber, wenn auch nicht kühl, so doch stets ein wenig zurückhaltend begegne.
»Im Grunde«, sagte sie nicht ohne eine gewisse Scheu, »habe ich den einen ebenso gerne wie den anderen. Aber Fogacer, der sich gegenüber Männern so beeindruckend und überlegen gibt, sieht mich nach wie vor mit Kinderaugen an, worin nicht der mindeste Funke jenes Verlangens glimmt, das ich allein in Eurem Gesicht lesen möchte, mein Gemahl, während es mich bei anderen Männern ungehörig anmutet. Bei Giacomi ist das anders, so liebenswürdig und höflich er auch sei, denn weil er meine Zwillingsschwester liebt, gerät er durch die Ähnlichkeit zwischen uns bei meinem Anblick manchmal in Verwirrung und sieht mich auf eine Weise an, die ich nicht mag.«
|269| Ich schwieg, der zwiedeutigen Gefühle in Barbentane gedenkend, die die Begegnungen mit Larissa in mir erregt hatten, so daß ich erleichtert war, als Samarcas mit ihr abreiste.
»Seht Ihr irgendeine Hoffnung«, fragte Angelina in mein Schweigen hinein, »daß sie den Klauen dieses Jesuiten eines Tages entkommt?«
»Ich denke, ja. Samarcas ist den englischen Agenten bekannt, wie er selber weiß. Wenn er in seiner fanatischen Verwegenheit trotzdem nicht aufhört, in London zu intrigieren, wird er ihnen wohl
Weitere Kostenlose Bücher