Noch immer schwelt die Glut
Halde, dessen langgezogenes Gesicht eine Strenge verriet, die bei papistischen Höflingen selten war, »soviel bedeutet es nun nicht, eine Stadt nicht zu verlieren.«
»Ach, Spielverderber du!« sagte Heinrich. »Wer wird das Gute schmälern, wenn es kommt! Immerhin bricht das Scheitern der Liga in Boulogne und Marseille die Legende ihrer Unbesieglichkeit, und der Verrat macht eine Pause! Aber du sagst gar nichts, Chicot?«
»Sire, ich habe nichts zu sagen.«
»Was? Hat die Liga sogar meinem Narren den Witz verschlagen?«
»Heinrich«, sagte Chicot endlich, seinen ewigen Tropfen an der Nase, »mir liegt der Verrat, von dem du sprichst, im Magen. Ich wollte, meine Galle würde ihn zerfressen. Oder ich könnte ihn ausscheißen.«
»Ha!« sagte der König, »mag ich auch von Undankbaren umringt sein, meine Dankbarkeit ist davon nicht angesteckt. Siorac, mein Sohn, du hast mir gut und treu gedient. Ich werde es nicht vergessen.«
»Sire, ich und Hauptmann Le Pierre.«
»Auch ihn vergesse ich nicht.«
»Ach, Sire«, sagte Du Halde, »was sind ein Siorac oder ein Le Pierre gegen so viele Montcassins!« Dieser Montcassin nämlich war vom König mit Kriegsvolk und Geldern nach Metz entsandt worden, er aber ging, seine Reise sehr verkürzend, samt Talern und Truppen zum Herzog von Guise über, nach Châlons-sur-Marne.
»Montcassin«, sagte der König mit unendlicher Verachtung in den schönen schwarzen Augen, »ist ein Mausekötel im Vergleich mit der großen Ratte, die mir das Reich Stadt um Stadt frißt. Ach, Du Halde, Du Halde! Ich sehe ja, wenn ich die Herren weitermachen lasse, beherrschen sie am Ende mich. Es wird Zeit, dazwischenzufahren!«
»Sire«, rief ich flammend, »so ruft Euren Adel zu den Waffen! Steigen wir zu Pferde und schlagen wir den niederträchtigen Herzog!«
|266| »Du meinst«, sagte der König mit fahlem Lächeln, »ich soll Guise die Brandfackel ins Maul werfen?«
»Ja, Sire!«
»Und das Reich in einer Schlacht aufs Spiel setzen? Wieder Bürgerkrieg?« sagte Heinrich, ernst ins Leere starrend. »So ein Krieg dient nur den Finanziers, den Roßtäuschern und Waffenhändlern. Das Reich würde überschwemmt mit ausländischen Truppen, Parteiungen, ewigen Fehden, mit endlosem Raub und Mord, aber der arme Landmann kommt nach den überstandenen Schreckensjahren eben erst wieder zu Atem.«
»Heinrich«, sagte Chicot, »wenn man auf die große Ratte nicht endlich eine Katze ansetzt, frißt sie weiter, und bald auch Paris.«
»Sie ist schon dabei! Ich hör ihren Nagezahn. Und sehe die Löcher, die sie wühlt! Auch ein Grund, mich nicht zur Kriegsfahrt aus meiner guten Stadt Paris zu rühren, womöglich finde ich bei der Rückkehr mein Dach nicht mehr.«
»Was, Sire!« sagte ich, »ist es soweit gekommen?«
»Viel weiter! Moscas Berichte bleiben längst hinter der Wirklichkeit zurück!«
»Und was, wenn es ums Letzte geht?« fragte Chicot.
»Taktieren«, sagte der König. »Die Segel streichen. Einen dünneren Faden spinnen. Und ist er gesponnen, ihn wieder aufnehmen. Nicht ablassen. Ihn immer wieder aufnehmen.«
»Bis er reißt«, sagte Chicot, der sich vorm Kamin niedergelassen hatte und ein kleines Messer am Stein der Einfassung wetzte.
»Was machst du da, Chicot?« fragte der König.
»Das ist für Guise.«
Der König seufzte und senkte die schönen Florentiner Augen.
»Ich wünschte«, sagte er halblaut, wie für sich, »daß das nie nötig sein wird.«
»Ha, Sire!« erkühnte ich mich schließlich zu sagen, so drückte mir Guises Vermessenheit aufs Herz, »ist denn der Lothringer so furchtgebietend, daß der König von Frankreich vor ihm die Segel streichen muß? Was soll Euer Adel denken?«
»Siorac«, sagte der König, »hast du Machiavelli gelesen?«
»Nein, Sire.«
»Dann bedenke dies: Es ist oft weise und sicherlich die klügste Art von Tapferkeit, in den Augen der Welt für schlapp und |267| furchtsam zu gelten, wenn dieser Schein dem Ziel nützt, das du verfolgst. Du Halde!« fuhr er fort, »daß ich es nicht vergesse, schreibe meinem Schatzmeister, er soll Siorac zweitausend Ecus auszahlen, und das Gleiche geht an Le Pierre.«
»Sire«, sagte ich, nicht ganz ohne Scheu, »Eure Majestät möge mir verzeihen, aber ich möchte weniger und mehr.«
»Weniger und mehr?« sagte der König verwundert. »Chicot, verstehst du das Rätsel?«
»Nein, Heinrich, falls Aderlaß nicht auf ein Dämchen der Königinmutter scharf ist.«
»Die doch aber«, sagte der König,
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