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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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Königs in Paris, die sich mittels der von ihr besoldeten Pfaffen und der von diesen verhetzten Bevölkerung eine Art Gegenmacht geschaffen hatte, und überdies einen Gegen-Hof, ein buntes Gemisch aus (manchmal sehr hohen) verschuldeten oder in Ungnade gefallenen, unzufriedenen oder ehrgeizigen Herrschaften, die sie wie Marionetten an Fäden zog, zum Ruhme ihres Bruders und |282| zum Schaden meines armen Herrn. Das Erstaunliche aber war, daß diese Intrigantin über all ihren endlosen Machenschaften noch die Zeit zu ebenso endlos vielen Liebschaften fand, war sie, dem Gerücht zufolge, hierin doch genauso unermüdlich wie unersättlich.
    Die Herzogin lag nicht zu Bett, sie saß halb aufrecht, gegen einen Stapel Kissen gelehnt, zwischen den zur Bettgasse hin seitlich gerafften Vorhängen, und obwohl es fast Mittag war und das Zimmer taghell, brannte auf dem Tisch neben ihrem Kopfende ein achtarmiger Leuchter, der sie voll beschien. Als erstes frappierte mich, sie in einem Négligé zu erblicken, das vorne weit offen stand, wobei dieses Vorne mir vom Alter unverdorben schien, obwohl sie jene Grenze der Sechsunddreißig schon überschritten hatte, jenseits derer eine Frau in unseren Breiten nicht mehr für jung gilt. Ihre Brüste waren keineswegs erschlafft, wenn auch nicht so straff wie die Frédériques, ihre Haut war weiß, das Gesicht noch recht glatt, so wirkte es jedenfalls im Kerzenschein, die Augen stahlblau, die gelösten Haare blond und füllig über die runden Schultern fallend, ein großer Mund, starke Lippen und nicht allzu schöne Zähne, soweit ich sah. Ihre Miene hatte nichts vom Hochmut der Vasselière, sondern eine in sich ruhende Sicherheit, so als könnte sie, die Schwester des künftigen Königs, über Leben und Tod der Franzosen mit dem gleichen Recht gebieten wie über den Buckel ihres Lakaien.
    Ich hatte Zeit genug, sie zu betrachten, denn seit ich ihre Bettgasse betreten hatte, richtete sie eine ganze Weile den Blick auf mich – die Feder in ihrer Rechten in der Schwebe haltend, denn sie war beim Schreiben, weshalb das Lager ringsum mit Papieren übersät war –, aber in genauso unpersönlicher Weise, als wäre ich ein Sattelpferd oder ein soeben erworbener Vorstehhund oder gar ein Zugpferd, bei dem sie sich fragte, ob es tüchtig genug sei, mit anderen im Gespann ihre Kutsche zu ziehen. Was, wenn man’s recht bedenkt, die schlimmste Art des Hochmuts ist, stumm, ruhig, ohne die mindeste Geringschätzigkeit. Der Gedanke, mich auf einen Wert zu taxieren, zumindest einen moralischen Wert, wäre ihr nicht einmal gekommen, denn was klingende Münze anlangte, hatte sie so viele Priester und Edelleute gekauft, damit sie ihrem Bruder dienten, daß sie auf den Taler genau wußte, was ein jeder in diesem Reich kostete.
    |283| Da sie in ihrer Prüfung fortfuhr, fuhr ich in der meinigen fort, ohne daß mein Blick sie mehr behelligte als der von des Bischofs Hund, und so bemerkte ich, daß die rings auf dem Bett verstreuten Papiere offensichtlich eigenhändig von ihr beschrieben waren und daß sich in dem Durcheinander auch Putzsachen, Schminke, ein Spiegel und eine große Schale voller Süßigkeiten, Marzipan und kandierter Früchte fanden, in die sie dann und wann ihre linke Hand tauchte.
    »Chevalier, setzt Euch!« sagte sie endlich.
    »Frau Herzogin«, sagte ich, »Eure Hoheit verzeihe mir, aber ich sehe hier keinen Schemel.«
    »Setzt Euch auf mein Bett. Oder bin ich so abstoßend?«
    »Madame«, sagte ich, mich verneigend, »meine Augen dürften es Euch bereits bekundet haben: Ihr seid sicherlich die schönste Prinzessin der Christenheit!«
    »Meine Cousine die Königin, die ich lange nicht gesehen habe, soll aber längst noch nicht so verwelkt sein, daß Heinrich ihr nicht ein Kind machen könnte, wenn er dazu imstande wäre.«
    »Madame«, sagte ich mit neuerlicher Verneigung, »Ihre Majestät die Königin ist sehr schön, aber sie könnte Euch nicht die Palme streitig machen angesichts der zahllosen Reize, die man an Eurer Hoheit gewahrt.«
    »Monsieur, nehmt Platz«, sagte sie, ohne sich an derart abgeschmackten Komplimenten zu stoßen.
    »Madame, ich bin voll und ganz Euer Sklave«, sagte ich.
    Damit setzte ich mich. Worauf sie mich gewissermaßen beim Wort nahm und, die Feder ablegend, verlangte, daß ich sie davon befreie, indem ich das ganze Pult auf den Nachttisch stellte. Dann sollte ich ihre verstreuten Briefe einsammeln und falten, was ich nicht tat, ohne einen verstohlenen Blick darauf

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