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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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schroff und stand auf, »Eure Inquisition ist unerträglich! Diese Frage darf mir mein Beichtiger stellen, nicht Ihr.«
    »Setzt Euch, mein Vetter«, sagte sie, zum erstenmal lächelnd. »Wenn meine Frage Euch verletzt, nehme ich sie zurück. Ich bin sehr zufrieden, daß Ihr von selbst bekennt, daß Mundane Navarra durch Vermittlung Eures Vaters traf. Was wir übrigens wußten.«
    Und was ich übrigens ahnte: Denn wie hätten die Guisarden sonst von der Existenz des Briefes und von seiner Wichtigkeit erfahren? Daher meine vorgebliche Offenheit, für die sie mich belobigte.
    »Und an wen war dieser Brief gerichtet?« fragte sie.
    »Er trug keine Anschrift«, sagte ich, schamlos lügend, wobei ich ihr frei ins Gesicht blickte.
    |278| »Und wem übergabt Ihr ihn?«
    »Dem König. Weil ich mir sagte, er müsse schon sehr wichtig sein, wenn man seinetwegen einen Menschen ermordete – und nach seiner Übergabe einen zweiten zu ermorden versuchte.«
    Worauf Mademoiselle de La Vasselière kurz angebunden erklärte: »Unglücklicherweise wart Ihr Zeuge eines Mordes geworden und hättet meine beste Freundin verklagen können, denn da Ihr für gewöhnlich am Hof lebt, mußtet Ihr zwangsläufig meinen Namen erfahren.«
    »Madame«, sagte ich, »Ihr erstaunt mich! Meint Ihr, der König hätte der Cousine des Herzogs von Guise einen Prozeß gemacht?«
    »Das sagte ich mir dann auch. Deshalb erfolgte kein weiteres Attentat gegen Euch. Zumal Euer Brief, mein Herr Vetter, Euch unseren Wünschen gefügiger zeigte, als ich glaubte, indem Ihr Euren Gefangenen freiließet und den Majordomus jenes Hauses nicht zur Rechenschaft zogt, der als Nichtadliger sonst gehenkt worden wäre. Wobei es mir nicht um sein Leben ging, sondern vielmehr darum, daß unser Haus durch seinen Tod nicht belastet würde.«
    »Oh, Madame!« rief ich, scheinbar fortgerissen von meiner eigenen Offenheit, »hätte ich doch eher von Eurer guten Gesinnung gewußt! Es hätte mir meine freiwillige Verbannung erspart!«
    »Freiwillig, Monsieur!« sagte die Vasselière, »dann mußtet Ihr also nicht wegen königlicher Ungnade gehen?«
    »Nicht in dem Maße, wie ich behauptete«, sagte ich, Verlegenheit spielend, »ich wollte mich vor Euch in Sicherheit bringen. Ich ging aus eigenem Entschluß, was der König mir allerdings ein wenig verübelte, weil er wollte, daß ich den Herzog von Epernon weiter behandelte.«
    »Mein Herr Vetter«, sagte die Vasselière, indem sie sich erhob, »ich bin entzückt, daß Ihr mir so freimütig die Wahrheit über Eure Verbannung gestandet. Daß diese nur vorgetäuscht war, wußten wir durchaus, der königliche Schatzmeister hatte Euch an dem Tag, bevor Ihr Paris verließt, zweitausend Ecus ausgezahlt.«
    Ha! dachte ich, diese Guisarden haben die Ohren wirklich überall! Ich war doch gut beraten, ein wenig Leine zu lassen. |279| Wie mein Heinrich zu sagen pflegte, lügt man eben am geschicktesten, wenn man der Wahrheit am nächsten bleibt.
    »Madame«, sagte ich, ihr in die Augen blickend, »auch ich bin entzückt, daß Ihr mir jetzt gewogener seid.«
    »Gewogen?« sagte sie verwundert. »Seht zu, ob Ihr das Glück habt, Madame de Montpensier zu gefallen, die Euch empfangen wird, wenn Ihr ein wenig wartet.«
    Und mit einem Kopfnicken verließ sie mich, und ich war baff über die Hoffart dieses kaltblütigen Weibes, das sich, in Guises Dienst, nicht zu schade gewesen war, sich im Gasthof einem englischen Edelmann zu verkaufen, ihn anschließend eigenhändig zu erstechen und mir mein Pferd zu rauben.
     
    Ich wartete eine geschlagene Stunde, und mir blieb reichliche Zeit zu überdenken, in welcher Gefahr ich mich befand, galt diesen Mänaden ein Menschenleben doch nicht mehr als ihrer Katze das einer Maus. Sie nannten einen »mein Herr Vetter«, konnten einen aber bei Nacht glatt in einem Sack in die Seine werfen, die so bequem am Hause vorüberfloß. Wie viele Verbrechen beging man nicht aus Religionseifer in diesem seltsamen Jahrhundert!
    Nachdem ich mich ausgiebig mit tödlichen Besorgnissen beschäftigt hatte – und du kannst dir vorstellen, Leser, um wieviel bedrückender diese gewesen wären, hätte ich bereits gewußt, welches Los die Guisarden dem Hauptmann Le Pierre bereitet hatten –, kam derselbe Lakai, um mich zu seiner Herrin zu führen, die ich, nach dem edlen Putz ihrer Verwandten, in nahezu königlicher Pracht zu erblicken erwartete, wie es der Schwester eines Herzogs geziemte, der nach dem Thron strebte. Doch wurde ich

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