Noch immer schwelt die Glut
|288| Rolle in Boulogne bemäntelt hatte. Ich ließ meinem Körper also freie Bahn, und weil dieses Tier, jedem Gesetz und menschlichen Anstand zum Trotz, nichts so sehr verlangt, als (um es soldatisch auszudrücken) an die Kanonen zu gehen, war es stracks bereit.
»Ah, mein Freund«, sagte die Montpensier, vor Wonne aufseufzend, als ich in Stellung ging, »das tut gut, aber bewegt Euch nicht: Das ist meine Sache. Haltet Ihr mir nur die Stange.«
Was mir nicht eben gefiel – wollte die Herzogin auch mir meine Predigt vorschreiben? Aber weil ich einsah, daß sie zu den herrischen Frauen gehörte, die ihre Lust nur sich selbst verdanken wollen, eine möglichst endlose, ergab ich mich drein, tapfer auf Posten auszuharren, konnte ich ihr Gesetz doch stillschweigend brechen, sollte meine Untätigkeit mich erschlaffen lassen: Was ich dann und wann tat, und was fast unbemerkt durchging in dem Orkan, den sie sich verschaffte und der so wild und unstillbar war, daß ich es nicht schildern kann, mir dröhnten von ihrem Seufzen und Stöhnen die Ohren.
Wie ich nun so bewegungslos und gespannt inmitten dieses Sturmgewitters verharrte, ohne daß es mir erlaubt war, daran teilzunehmen, dazu oberhalb höchst unbequem bekleidet – meine Krause würgte mich, mein Wams hatte sich verzerrt, mein im Rücken verborgener Dolch spießte mir ins Schulterblatt – ach, wie gern hätte ich, wäre meine menschliche Regung nicht so gegenteilig gewesen, diese Staatsfeindin mit dem Stahl durchbohrt, anstatt mit meinem Fleisch! –, so vielerlei Unbilden ausgesetzt, sage ich, wandte ich meine Aufmerksamkeit der Umgebung zu, staunend ob der unfaßlichen Liederlichkeit dieses Lagers, wo die Kissen drunter und drüber lagen, als meine Augen vom Zipfel eines beschriebenen Blattes Papier gebannt wurden, das sich wohl unter einem Kissen verkrochen hatte, um dem allgemeinen Chaos zu entgehen. Vorsichtig zog ich es weiter aus seinem Versteck. Mit raschem Blick erkannte ich, daß dies nicht die Handschrift meiner entfesselten Mänade war, sondern, ein paar erhaschten Worten zufolge, jener Briefentwurf Heinrichs von Guise, den die Herzogin verbrannt glaubte. Jäh schloß ich die Hand darum in dem Vorsatz, ihn zu entwenden, zugleich aber, der unerhörten Gefahr inne, wenn ich es jetzt an der von mir erwarteten Standfestigkeit fehlen ließe, stärkte ich diese noch rechtzeitig durch |289| besagte Bewegungen, doch der Schweiß brach mir aus allen Poren, sowohl vor Freude über meinen Fund als darüber, in welche neue Gefahr ich mich brachte, hatte ich die der Boulogner Geschichte doch eben erst umschifft.
Soweit ich schätzen konnte, benötigte die Montpensier eine gute halbe Stunde für ihr Toben, was sie mit so gellenden Schreien tat, daß man sie, wette ich, bis ans andere Seine-Ufer hörte, und unter so gewaltigen Zuckungen, daß ich dachte, sie fänden nie ein Ende, auf einmal jedoch verstummte sie, öffnete ihre stahlblauen Augen, und indem sie mich mit beiden Händen wegstieß, ohne daß ich meine Anstrengungen vollenden und deren Frucht ernten konnte, wälzte sie mich ab auf das Lager, erhob sich und eilte davon.
»Wohin, Madame?« rief ich ziemlich empört.
»Nur pissen«, sagte die Herzogin.
Was, so anmutlos sowohl die Tatsache wie der Ausdruck auch waren, mir wenigstens die Zeit ließ, den gestohlenen Brief in mein Wams zu stecken: Ich tat es, noch bevor ich in meine Hosen stieg.
Ich war kaum fertig angekleidet, als die Montpensier, Frédérique im Schlepptau, wiederkam.
»Was? Ihr seid immer noch da?« sagte sie mürrisch.
»Madame«, sagte ich, mich verneigend, »ich erwarte meinen Urlaub.«
»Bitte«, sagte sie, indem sie mir steif die Hand hinstreckte. »Wißt Ihr«, fuhr sie auf einmal fort, »daß der König die Stirn hatte, lauthals am Hof zu verkünden, er werde mich ins Feuer werfen, wenn ich weiter zu Predigten gegen ihn anstifte? Nun denn, Monsieur, der Ihr gegen das Interesse des Reiches und gegen Euer eigenes diesem warmen Bruder die Treue haltet, sagt ihm von mir, daß Sodomiten wie er auf den Scheiterhaufen gehören, und nicht ich.«
Damit kehrte sie mir den Rücken, setzte sich an ihren kleinen Sekretär und begann wie wütend zu schreiben, so als hätte die Erschöpfung sie mit neuer Kraft erfüllt.
Wortlos führte mich Frédérique zurück in den kleinen Salon, wo mich die Vasselière mit kaltem Blick erwartete.
»Mein Herr Cousin«, sagte sie, »schmeichelt Euch nicht mit der Hoffnung, Gunst und Protektion der
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