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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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unbedingt nach italienischer Art mit einem rücklings unterm Cape verborgenen Dolch bewaffnen, würde man mir doch mit Sicherheit beim Betreten des Hôtel de Montpensier meinen Degen abverlangen.
    Worin er sich nicht täuschte, und ich hätte mich ohne den versteckten Dolch sehr nackt und bloß gefühlt, als ein Lakai mich in einen kleinen Salon führte, in dem plötzlich Marianne erschien, die mir mit unglaublichem Hochmut ihre Hand zum Kuß reichte, mich ohne das mindeste Lächeln zum Sitzen aufforderte, während sie stumm auf und ab schritt und dann und wann einen pfeilscharfen Blick auf mich warf. Brünett, lebhaft, hübsch, wenige körperliche Reize, die aber in ständiger Bewegung, so ähnelte die Vasselière ein wenig Alizon, nur daß sie einen guten Kopf größer war, daß ihre jettschwarzen Augen nichts Gutmütiges hatten, im Gegenteil, und daß ihr Gewand – weiße, mit Gold und Perlen bestickte Seide und ein im Nacken aufgestellter Spitzenkragen – dem der höchsten Damen des Hofes in nichts nachstand.
    |276| »Mein Herr Vetter«, sagte sie, auf einmal innehaltend, »wenn ich Euch jetzt einige Fragen stelle, wollt Ihr meine Neugier dann befriedigen?«
    »Madame«, sagte ich lächelnd, doch in leicht unwilligem Ton, »ich würde sie befriedigen, wenn ich wüßte, wer mich fragt: Mademoiselle de La Vasselière oder Marianne?«
    »Monsieur le Chevalier«, sagte sie, mitnichten eingeschüchtert, sondern sehr hochfahrend, »diese Marianne, die Ihr zu erwähnen beliebt, ist meine teuerste und vertrauteste Freundin. Diejenige hingegen, die zu Euch spricht, und zwar mit allem Gewicht, das die Familie ihr verleiht, ist die Cousine des Herzogs von Guise.«
    »Madame«, sagte ich, indem ich mich erhob und ihr eine tiefe Verneigung machte, »ein so treuer Diener ich meinem königlichen Gebieter auch bin, weiß ich doch, welchen Respekt ich einem hohen Herrn schulde, der in diesem Reich gleich nach dem König kommt.«
    Hiermit setzte ich mich, wohl wissend, daß dieser Satz sie nur halb befriedigte, jedoch nicht gewillt, ihr weitere Zugeständnisse zu machen.
    »Einige meinen indes«, sagte sie, ohne viel Freundlichkeit in den schwarzen Augen, »daß der Herzog von Epernon nach dem König komme. Und vermutlich gehört auch Ihr dazu, da Ihr ihn von seinem eitrigen Halsleiden geheilt habt.«
    »Madame«, sagte ich spröde, »ich behandle jeden, den der König mich behandeln heißt. Wenn er mir eines Tages Herrn von Guise von einem Leiden zu heilen gebietet, werde ich auch von seinem Lager nicht weichen.«
    »Wie wohlgesprochen«, sagte die Vasselière knapp.
    Da sie wohl einsah, daß sie mich nicht dazu brächte, von meiner Position abzuweichen, nahm sie in einem Lehnstuhl Platz, und nachdem sie die Falten ihres weiten Reifrocks geordnet hatte, hob sie jäh den Blick.
    »Wer war dieser Mundane?« fragte sie. »Woher kam er? Warum war er unter Euren Dienern? Was ist aus dem Brief geworden, den er bei sich trug? An wen war der gerichtet?«
    »Madame«, sagte ich, mich straffend, »diese Flut von Fragen beantworte ich, sobald Ihr gütigst auf meine geantwortet habt. Warum hat Marianne ihn getötet?«
    »Es war nicht ihre Absicht«, sagte die Vasselière rasch. »Als |277| sie versuchte, die Truhe anzuheben, um sich des Briefes zu bemächtigen, wurde sie von dem Engländer überrascht, der seinen Schlaf nur vorgetäuscht hatte, und als er zornig nach seinem Degen griff und blankzog, bekam sie Angst, stürzte sich auf ihn und stach auf ihn ein.«
    »Mehrmals.«
    »Weil er sie würgte.«
    »Dank für diese Erklärung, Madame«, sagte ich nach kurzem Schweigen, »gibt sie mir doch eine menschlichere Vorstellung von Marianne.«
    »Ich werde es ihr ausrichten«, sagte die Vasselière schnippisch. »Sie wird entzückt sein, es zu hören.«
    Hierauf bat ich sie, ihre Fragen zu wiederholen, hatte ich meine doch nur gestellt, um mir meine Antworten in Muße zu überlegen.
    »Was Mundane betrifft«, sagte ich endlich, »kann ich Euch nicht zufriedenstellen. Weder weiß ich, wer er war, noch, woher er kam. Der König hatte mir befohlen, ihn in mein Gefolge aufzunehmen und ihm zu helfen. So hatte der Mann mich zu Pamiers gebeten, ihm eine Begegnung mit dem König von Navarra zu ermöglichen, was mir mit Hilfe meines Vaters gelang.«
    »Welcher Hugenotte ist«, sagte sie, »und Ihr, Monsieur?«
    »Wie Ihr wißt, Madame«, sagte ich, »höre ich die Messe und beichte.«
    »Mit den Lippen oder mit dem Herzen?«
    »Ha, Madame!« sagte ich

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