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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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über die sie mehrmals stolperte, bis sie maulend und achselzuckend kapitulierte und den Rückweg antrat.
    Mein Miroul kehrte mit guten englischen, weder pestverseuchten noch katholischen Münzen zurück, und die Bedienerin kam wieder.
    »Der Humpen Wein einen Penny«, sagte sie trocken.
    »Hier sind zwei. Und das Brot?«
    »Brot gibt’s umsonst«, sagte sie.
    Kein schlechter Brauch, dachte ich, den sollte man in Paris übernehmen. Und sogleich begann ich zu essen und zu trinken, ohne eine Krume oder einen Tropfen übrigzulassen, ohne aber auch die stumme Feindseligkeit um uns zu vergessen. Diese ließ indes nicht lange darauf warten, sich zu verdeutlichen, denn als ich ob des immer dickeren Rauchs in der Taverne husten mußte, drehte sich ein Nachbar um.
    »Sir«, fragte er mit aufreizender Höflichkeit, »habt Ihr was gegen meine Pfeife?«
    »Nein, Sir, habe ich nicht«, sagte ich ganz ruhig und blickte ihn an.
    Und obwohl hierauf Schweigen eintrat, bezweifelte ich nicht, daß die Taverne zu einer Art Arena wurde, in der eine Meute englischer Doggen sich anschickte, die französischen Bären anzufallen und zu zerreißen.
    »Sir«, sagte ein anderer, indem er aufstand, seinen Humpen in der Hand, »beliebt mir Bescheid zu tun: Ich trinke auf die Gesundheit unserer Gnädigsten Königin.«
    »Sir«, sagte ich, stand ebenfalls auf, nachgeahmt von Miroul, und zog meinen Hut, »von Herzen trinke ich auf die Gesundheit Eurer Gnädigsten Königin.«
    Ein wenig aus dem Konzept geraten, setzte sich der Mann, hütete sich jedoch, seinen Becher an die Lippen zu setzen. Und nun folgten den Worten Blicke, so voller Wut und Haß, daß ich |318| dachte, man wäre schon längst handgemein, wenn die guten Engländer im Streit nicht so förmlich wären und alles aufwandten, einzig mich ins Unrecht zu setzen.
    »Kann sein, Sir«, sagte schließlich einer, »Ihr seid ehrlich, wenn Ihr auf Ihre Gnädigste Majestät trinkt.«
    »Ich bin es, Sir.«
    »Kann auch nicht sein, Sir.«
    »Aber, ich bin es, Sir.«
    »Sir, heißt Ihr mich Lügner?«
    »Nein, Sir.«
    »Sir«, fuhr er fort, »und ich sage und erkläre, Ihr seid nicht ehrlich, wenn Ihr auf Ihre Gnädigste Majestät trinkt, Gott schütze sie.«
    »Gott schütze sie!« murmelte alles im Chor, plötzlich ernst und andächtig wie in einer Kirche.
    »Sir«, sagte ich, »etwas behaupten genügt nicht, man muß es beweisen.«
    Hierauf trat wieder Schweigen ein, den Angreifern schien in dem Wortgefecht die Munition auszugehen, wenn auch nicht Haß und Entschlossenheit.
    »Mädchen«, rief ich, die vermutlich kurze Pause nutzend, »würdest du mir wohl den Wirt rufen?«
    »Das geht nicht«, sagte sie, indem sie mich trotzig ansah, »er ist weggegangen.«
    »Dann wirst du mir bezeugen«, sagte ich, »was hier geschieht.«
    »Nein, Sir«, sagte sie starrsinnig. »Ich bin dazu da, hier Brot und Wein aufzutragen, und nicht, zu sehen und zu hören, was zwischen den Gästen abläuft.«
    Worauf im Saal ebenso boshaft wie einverständig gelacht wurde, und ich dachte, wie schön der Wirt ob seiner Abwesenheit sich doch die Hände in Unschuld waschen konnte. Und ich wette, Miroul dachte nicht anders, denn hatte er mir bisher gegenüber gesessen, den Rücken der Meute zugekehrt, erhob er sich nun und kam mit seinem Schemel, sich an meine Seite zu setzen, so daß Tisch und Saalecke uns zu einer Art Wall gegen die Doggen wurden.
    Diese nun grollten und knurrten, doch immer noch an der Leine gehalten, schien mir, von der Furcht, gegen das Gesetz zu verstoßen: worin sie dem Pariser Volk ganz unähnlich waren, |319| das man so rebellisch und streitsüchtig kannte, daß keine Regel, ob menschlich, ob göttlich, es in solcher Stimmung im Zaum gehalten hätte. Doch nun beobachtete ich, nicht ohne wachsendes Unbehagen, daß die Bedienerin sich über einen verschlagen aussehenden Mann beugte und diesem lange ins Ohr sprach, wobei sie dann und wann einen flammenden Blick nach uns warf. Und ich spürte, als dieser Mann aufstand, daß wir auf das Schlimmste gefaßt sein mußten.
    »Sir, ich höre«, sagte er in gutem Englisch, »Ihr seid von der Suite der französischen Gesandtschaft, welche die Königin um Begnadigung für Maria Stuart ersucht.«
    Bei diesem verhaßten Namen schrien mehrere wütend auf, und es brach eine Sturzflut so schmutziger und unanständiger Wörter los, daß ich sie hier nicht wiederholen möchte, um meine Leserinnen nicht zu verletzen.
    »Sir«, sagte ich, mich erhebend, »es ist Sache

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