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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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fort, indem er mich, aber mit Abstand, ohne mich im mindesten zu berühren, in einen kleinen Raum führte, wo, Gott sei Dank, ein tüchtiges Feuer brannte, denn der Morgen war neblig und kalt.
    Dann schloß er die Tür und ließ mich allein. Mich schmerzte das Gesäß vom langen Ritt, und ohne mich zu setzen, wärmte ich mir die Stiefel am Feuer, während mein Hunger und Durst in der Gewißheit wuchsen, daß ich weder Brot noch Wein vor elf Uhr bekäme.
    Endlich ging die Tür auf, herein trat eine hübsche junge Person, ebenso blond, wie der Wirt dunkel war, aber genauso kurz angebunden und frostig.
    »Sir«, sagte sie, sich an die Tür lehnend,
»please, undress.«
1 »Was?« sagte ich, »vor Euch?«
    »Please, undress!«
sagte sie, ohne mit einer Wimper zu zucken.
    Das schmeckte mir wahrlich nicht. Doch verlangte mich so sehr zu schlafen und zu essen, daß ich schließlich, halb belustigt, halb beschämt, einwilligte, mich wie einen Pestkranken behandeln zu lassen und mich im Adamskostüm einer Frau zu präsentieren, die mich, ohne im mindesten rot zu werden, höchst aufmerksam und aus nächster Nähe bis in alle Ecken und Winkel musterte. Ich mußte mich umdrehen, bücken, die Beine spreizen, die Arme heben, was weiß ich noch. Dann sagte sie, genauso wortkarg, ich könne mich anziehen, und ging, wahrscheinlich, um ihrem Herrn mitzuteilen, daß sie an mir keine Pustel, keine Beule gefunden habe, denn nun kam der Wirt mit Schreibzeug und einem großen Buch. Kaum höflicher, verlangte er, ich solle in sein Register meinen Namen eintragen, meinen Stand, meine Religion, meine Wohnung in Paris und den Anlaß meines Aufenthalts in England: Vorsichtsmaßregeln, gegen die, recht besehen, nichts einzuwenden war, |316| im Gegenteil! Wollte der Himmel, wir hätten in Paris einen Walsingham und eine so gestrenge Vogtei! Es gäbe weniger Umtriebe gegen den König.
    Mein Miroul, von derselben Hübschen in Augenschein genommen und für gesund befunden, durfte unsere Pferde im Stall versorgen gehen. Dann kam er in mein Zimmer, das neben seinem lag, mir beim Auspacken zu helfen, was wir, einer so müde und hungrig wie der andere, ohne Worte verrichteten.
    Um Schlag elf endlich rief ich die Blonde und bat um Brot und Wein, worauf sie, ohne auch nur aufzusehen, über die Schulter antwortete: »Im Wirtssaal.«
    Überrascht fanden wir diesen voller Männer, die ihren Humpen Wein tranken und ihre Tabakspfeifen rauchten, doch obwohl manche Mediziner in Frankreich die medizinischen Eigenschaften dieses Rauches priesen, schien er mir doch eher geeignet, Husten und tränende Augen zu bereiten. Jedenfalls mußten wir den ganzen qualmigen Saal durchmessen, um in einer Saalecke einen freien Tisch zu finden, was nicht behaglich war, weil aller Augen sich argwöhnisch auf uns richteten.
    Die blonde Bedienerin ließ sich lange Zeit, bis sie sich uns zuwandte, und obwohl ich nun schon zweimal nach Brot und Wein verlangt hatte, fragte sie, was ich wolle. Ich wiederholte es, und sie sagte, ich müsse im voraus bezahlen – was sie von anderen, wie ich sah, nicht forderte –, und als ich ihr einen Ecu reichte, gab sie ihn nach kurzem Blick darauf zurück, als brenne er ihr in den Fingern, und sagte laut, der sei französisch, den könne sie nicht annehmen.
    Ich spürte, wie bei dem Wort »französisch« Unruhe aufkam im Saal, aller Augen starrten auf uns, federnden Pfeilen in einer Zielscheibe gleich. Mir war nicht wohl dabei, soviel Unmut zu erregen und obendrein vor Hunger umzukommen, trotz meiner dreihundert Ecus im Beutel. Weil ich mir aber sagte, daß eine große Handelsstadt wie London auch Geldwechsler haben müsse, und ich mich entsann, unterwegs, bei St. Paul’s, einen solchen Laden gesehen zu haben, schickte ich Miroul mit fünf Ecus dorthin, doch war er kaum hinaus, als ich bedauerte, mich seines Beistands beraubt zu haben, denn die Blicke ringsum wurden mit jeder Minute bedrohlicher.
    In dieser Ansammlung von Männern – die mich übrigens |317| weit reinlicher gekleidet dünkten, als es in Frankreich gemeinhin der Fall ist – gab es zwei Frauen, Huren, nach ihrer dicken Schminke und ihren halb entblößten Busen zu urteilen, die mich als einzige nicht mörderisch zu mustern schienen. Ob von dem Gold angezogen, das ich meinem Beutel entnommen hatte, ob von meinem nicht abweisenden Blick, wer weiß, stand die eine auf und kam in meine Richtung. Ihr Vorhaben scheiterte, denn plötzlich wurden ihr zwischen den Tischen Beine gestellt,

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