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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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des Gesandten, um diese Begnadigung zu ersuchen, nicht meine. Ich bin lediglich sein Arzt und Dolmetsch.«
    »Nun, Sir«, sagte der Verschlagene, »als Angehöriger seines Gefolges wollt Ihr diese Begnadigung ja wohl auch!«
    »Sir«, sagte ich, »darüber sind nicht alle Franzosen einer Meinung. Einige denken wie ich, daß Maria Stuart sich viel hat zuschulden kommen lassen bei der Ermordung Darnleys und bei den Attentaten auf das Leben Ihrer Gnädigsten Majestät.«
    »Sir«, sagte er, »wie kann ein Papist so denken?«
    Und hiermit, wie das Folgende zeigen wird, stellte der Schlaukopf mir eine Falle, in die ich prompt hineintappte.
    »Sir, ich bin kein Papist. Ich bin Hugenotte«, sagte ich. Der Fuchs lächelte bei diesen Worten und schien sich, während er seine Augen über die Versammlung schweifen ließ, im Vorgenuß dessen, was er gleich sagen würde, schon die Lefzen zu lecken.
    »Das habt Ihr ins Registerbuch des Wirts geschrieben«, sagte er. »Ihr seid also Hugenotte, Sir, wenn ich richtig höre.«
    »Das bin ich.«
    »Sir«, sagte er nach kurzem Schweigen, »Ihr lügt.«
    »Sir!« schrie ich in meinem Zorn, doch rasch von Miroul beschwichtigt, der mir seine Hand auf den Arm legte. »Wer erlaubt Euch, das zu behaupten?«
    »Ich behaupte, Ihr seid ein papistischer Wolf, in ein hugenottisches |320| Lamm verkleidet, und ich beweise es.
Wench!
1 « fuhr er, an die Bedienerin gewandt, mit starker Stimme fort, »sag uns, was du am Hals dieses verdammten Franzosen sahst, als du ihn untersuchtest!«
    »Eine Marienmedaille!« schrie das Mädchen mit wutverzerrten Zügen und hob, des Grauens eingedenk, das der Anblick des Götzenbildes ihr eingeflößt hatte, die Hände zum Himmel. Damit ergriff sie einen leeren Humpen von einem Tisch und schleuderte ihn mir ins Gesicht.
    Ich bückte mich weg.
    »Den Schemel, Moussu!« zischte Miroul, indem er den seinen hochriß und als Deckung vor sich hielt.
    Ich tat es ihm gleich, und schon kamen zinnerne Humpen von allen Seiten geflogen, krachten auf den Tisch, prallten gegen unsere Schemel und gegen die Wand hinter uns.
    »Moussu«, sagte Miroul, »wir müssen das Feld räumen.«
    Der Radau wurde ohrenbetäubend, es hagelte Humpen, Geschrei und Schimpfwörter, unter denen »Verräter«, »Spione«, ja »Königsmörder« noch die mildesten waren. Ich sah, wie Miroul sich seiner Messer vergewisserte, ich griff hinterrücks nach meinem italienisch versteckten Dolch, indem ich ein »Va terunser « murmelte in der Gewißheit, daß die Meute nun die unsichtbaren Leinen kappen und sich im nächsten Moment auf uns stürzen werde. Doch seltsam, obwohl ich an meinem Tod nicht zweifelte, verspürte ich keine Angst, nur ein dumpfes Staunen, daß meine Medaille, die mir in der Bartholomäusnacht das Leben gerettet hatte, nun die Ursache meines Untergangs werden sollte.
    Plötzlich verstummte der Krawall, keine Humpen mehr, kein Geschrei. Verblüfft über die jähe Stille und überzeugt, daß es jetzt zum Letzten käme, blinzelte ich über meinen Schemelrand. Da stand mitten im Saal, wie schweigengebietend, ein hochgewachsener Mann, und sein feuerroter Schopf leuchtete im dicken Tabaksqualm. Er war in ein Wams aus schwarzem Samt, kurze Pluderhosen mit gelben Schlitzen und lange schwarze Strümpfe gekleidet. Um die Schultern trug er einen gelben Mantel ohne Ärmel, so lang, daß er seine Waden bedeckte, während unsere Capes in Frankreich bekanntlich nur bis zur Taille reichten. |321| Dieser Gentleman – denn dafür hielt ich ihn nicht nur wegen seines Gewandes, sondern wegen eines gewissen Hochmuts in seiner Miene – hatte weder Dolch noch Degen, nur einen Stock mit Silberknauf in der Hand, und als er sich jäh in Bewegung setzte, klopfte er damit auf die Tische, und die Gäste versteinerten, während er durch ihre Mitte schritt, indem er sie ins Auge faßte und mit demselben bedrohlichen Lächeln beim Namen nannte. So schreitend, seinen Weg mit kleinen Stockschlägen punktierend und Bestürzung um sich säend, kam er bis in unsere Ecke, grüßte sehr höflich und bat uns, wieder Platz zu nehmen, wir würden nicht mehr belästigt werden.
    Hierauf wandte er sich den Gästen mit immer demselben Lächeln zu, das einen jeden, den er ansprach, erstarren ließ, und begann, mit dem Stock leicht in seine offene Linke zu klopfen.
    »Werte Gevattern«, sagte er in gefährlich sanftem Ton, »wolltet ihr mir hier eine Schlägerei anfangen? Hinter meinem Rücken dem französischen Hahn den Kamm ein

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