Noch immer schwelt die Glut
bißchen kitzeln, wie? Ihr werft Besuchern aus Frankreich eure Humpen an den Kopf? Zückt die Messer? John Hopkins«, nannte er den mit der verschlagenen Miene, »du hast deins fallen lassen, als ich eintrat, heb es auf! Anscheinend übt neuerdings wohl ihr die Gerichtsbarkeit der Königin? Gott schütze sie!« – »Gott schütze sie!« wiederholten alle fromm. »Wißt ihr etwa besser als ich (bei diesen drei Worten hob er plötzlich die Stimme), wer der Königin Freund ist und wer ihr Feind? Wer Papist ist und wer nicht? John Hopkins, was hast du zu deiner Verteidigung vorzubringen, ehe ich dich ins Loch stecke?«
»Sir«, sagte Hopkins, aufschnellend, »das kam alles nur, weil der Wirt nicht da war.«
»Wie konnte ich da sein«, sagte der Wirt, von der Eingangstür herankommend, »wenn ich, dem Gesetz gemäß, Mister Mundane Bericht zu erstatten hatte?«
Bei diesem Namen wechselten Miroul und ich verdutzte Blicke.
»Es kam aber auch«, fuhr Hopkins fort, »weil Jane mich aufgestachelt und gesagt hat, daß der Franzose, der sich als Hugenotte ausgibt, eine Marienmedaille um den Hals trägt.«
»Wirt«, sagte streng der Gentleman mit dem Stock, »deine Magd hat eine zu lose Zunge für die öffentliche Ruhe!«
|322| »Wenn Jane hier Unruhe gestiftet hat, ist sie ab morgen entlassen«, sagte der Wirt, aber ein wenig widerwillig, wie mir schien.
»Sir! Sir!« rief ich aufgeregt, »meine inständige Bitte ist, daß Ihr die Sache auf sich beruhen laßt, sowohl für Jane wie für Hopkins. Wie konnten sie wissen, daß ich diese Marienmedaille trage, weil ich es meiner Mutter, die Papistin war, auf ihrem Sterbebett schwören mußte? Sir, noch einmal bitte ich, daß niemand bestraft werde. Jane, sammle deine Humpen ein, sind sie auch etwas verbeult, taugen sie doch allemal noch für einen guten französischen Schoppen, den du jetzt auf meine Rechnung gleich all und jedem ausschenken magst, damit ihr mit mir auf Ihrer Gnädigsten Majestät Gesundheit trinkt!«
»Das ist wohlgetan und wohlgesprochen, Sir!« sagte der Gentleman mit dem Stock, indem er mir eine tiefe Verneigung machte und die Taverne so raschen Schrittes verließ, daß ich nicht dazu kam, ihm die Frage zu stellen, die mir auf den Lippen brannte.
Ja, die Autorität des Gesetzes – und ihrer Vertreter, zu denen offenbar auch Mister Mundane gehörte – war so groß in diesem Land, daß Leute, die mich eben noch in Stücke reißen wollten, mich in den Himmel hoben, sobald man sie versicherte, daß ich kein Feind ihrer Königin war und erst recht nicht ihres Glaubens.
Es gibt einer Nation gewiß große Stärke, wenn sie sich der gesetzlichen Autorität so gewissenhaft unterordnet, und ich dachte, daß die Armeen Philipps II., wenn sie die Insel überfielen, es nicht leicht haben würden, den Widerstand dieser Engländer zu brechen, die so geschlossen um ihre Königin zusammenstanden. Zumal sie die Hände nicht in den Schoß legten, wie ich beobachten konnte, sondern sich zu ihrer Verteidigung kräftig rührten. In London war zum Beispiel das Bogenschießen von Tassel Close zu Bishopsgate durch Artillerieübungen auf eigens hierzu angelegten Erdhügeln ersetzt worden, und täglich konnte ich den Kanonieren vom Tower bei ihren Übungen zusehen: Ein sonderbares Schauspiel, wie die Kanonen mitten in der Stadt feuerten und, wie ich feststellte, mit einem Geschick, das unsere französischen Soldaten nicht erreichten, auch die spanischen nicht, wette ich. Das Getöse gemahnte uns tagtäglich daran, daß England um die große Gefahr wußte, daß es auf |323| seiner Insel von den Feinden seiner Freiheit und seiner Religion angegriffen werden konnte.
Nun, die Schoppen waren getrunken, und ich hatte kaum mein Zimmer aufgesucht, als Jane mit reuig zerknirschtem Gesicht erschien, um sich »demütigst« dafür zu entschuldigen, daß sie mich verleumdet hatte, und mir »zehn millionenmal« dankte – diese Formel pflegte Königin Elisabeth zu gebrauchen, wie ich später erfuhr, weshalb sie in aller Munde war –, daß sie ihre Stelle im ›Pope’s Head Tavern‹ behalten durfte, hätte sie bei deren Verlust doch verhungern müssen, weil sie ohne Familie dastand. Zur Versöhnung verlangte ich von ihr einen Kuß, den sie mir mit tiefem Ernst, fast möchte ich sagen, mit geradezu frommer Andacht gab.
Von all den Gefahren und Aufregungen im Wirtssaal erschöpft, warf ich mich aufs Bett, ohne auch nur meine Tür zu verriegeln, und sank sofort in klaftertiefen Schlaf,
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