Noch immer schwelt die Glut
heimgesucht jedoch von schlimmen Träumen, so daß ich sehr erleichtert war, als ich zwinkernd erwachte, mich heil und gesund wiederfand und als erstes eine brennende Kerze auf meinem Tisch gewahrte, die ich ganz gewiß nicht entzündet hatte, und als zweites – was mich vollends munter machte – eine wunderbar schön angetane Fremde, die wie selbstverständlich neben meinem Kopfende saß. Als sie sah, daß ich die Augen aufschlug, nahm sie ihre Maske ab und reichte mir lächelnd ihre Hand zum Kuß, indem sie diese fühlbar an meine Lippen drückte. Und siehe, ich entdeckte – einen wohlbekannten Ring.
»Monsieur«, sagte sie, »zwei Worte nur, und ich bin fort. Wir haben heute den 22. November. Am 28., nach Mittag, wird meine Gebieterin Monsieur de Bellièvre empfangen. Und am Abend des 28., wenn es dunkelt, hole ich Euch hier ab, um Euch zu Ihr zu führen.«
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|324| ZEHNTES KAPITEL
Mister Mundane, der mich am nächsten Morgen besuchte, sprach mir seinen tiefen Dank für Heilung und Hilfe aus, welche ich seinem Bruder hatte angedeihen lassen, nachdem Samarcas ihn zu Paris durch einen Degenstoß verwundet hatte, und bat mich, ihm zu berichten, wie er starb. Er hörte es mit Fassung an, nur daß dann und wann seine blonden Lider über den hellen Augen schlugen und seine Unterlippe zuckte, doch ohne andere Zeichen von Bewegung.
»Ich staune noch immer«, sagte er, als ich endete, »daß Samarcas nach seinem Duell mit John die Verwegenheit hatte, sich abermals nach London zu getrauen. Den Spionen, die ich auf ihn ansetzte, konnte er trotz aller Gerissenheit nicht entrinnen, und ungewollt führte er selbst sie zu dem Jesuiten Ballard, und Ballard wiederum zu Babington. Monsieur le Chevalier, es tut mir sehr leid für Euer Fräulein Schwägerin, die leider, ohne es zu wissen, zum Werkzeug dieses schlimmen Menschen wurde. Ihr Schicksal liegt nun in Walsinghams Händen, dem Ihr am 28. an der Seite der Königin begegnen werdet. Mehr kann ich Euch nicht sagen, meine Befehle verbieten mir den Mund.«
Worauf nun ich ihm wärmstens dankte, daß er mich den Fängen der Meute im Wirtssaal entrissen hatte.
»Oh, keine Ursache«, sagte er lächelnd. »Als der Wirt mir sein Register vorlegte und ich Euren Namen las, befürchtete ich das Schimmste und eilte herbei. Tatsächlich hatte ich selbst auf Befehl Walsinghams im Volk das Gerücht ausstreuen lassen, Monsieur de Bellièvre bringe die Pest nach London und eine Reihe Mörder, die es auf die Königin abgesehen hätten. Durch die derweise entfachte Feindseligkeit im Volk hofften wir die zwei, drei ligistischen Spione lahmzulegen, die mit Sicherheit unter seinen Edelleuten sind. Ihr tatet klug daran, Monsieur le Chevalier, Euch nach dem Empfang in der Gesandtschaft von ihnen abzusetzen.«
|325| »Ob klug oder unklug«, sagte ich, »jedenfalls tat ich es, damit der Bote der Königin mich aufsuchen könne, ohne die Aufmerksamkeit besagter Ligisten zu erwecken. Doch wird allein die Tatsache, daß ich mich ihrer Beobachtung entzog, ihren Argwohn erregen, und ich fürchte, ich werde, wieder in Paris, den Guisarden verdächtiger sein denn je.«
»Daran dachte ich auch«, sagte Mundane. »Was hieltet Ihr davon, Monsieur le Chevalier, die Taverne zu verlassen und bei einer schönen, adligen Witwe zu wohnen, deren Liebhaber Ihr zum Schein spielen und in deren Gesellschaft Ihr Euch vor jenen Ligisten zeigen könntet? Wäre die Dame nicht ein vorzüglicher Grund, nicht mit ihnen in einer Herberge zu leben?«
Schöne Leserin, die Sie jetzt, sei es nachsichtig, sei es ironisch lächeln werden, mich bei meinen abenteuerlichen Missionen und Reisen fortwährend zwischen weißen Laken zu erblicken – ich bin heilfroh, Sie beruhigen (oder enttäuschen) zu können, weil diese Affäre nämlich überhaupt keine war, gewiß nicht wegen meiner fabelhaften Tugend, deren Anfechtbarkeit mir durchaus bewußt ist, vor allem außerhalb meiner Stadt und meines Hauses, erst recht aber in der Fremde, wo mir die Sünde weniger sündig erscheint, so als wären die göttlichen und menschlichen Gesetze, die die Untreue verdammen, jenseits der Grenzen plötzlich außer Kraft gesetzt. Lady T. jedoch, wenn auch sehr schön, von jener reifen Schönheit, die dem letzten Glanz des Abends gleicht und einen empfindsamen Geist um so mehr berührt, als sie wie ein letzter Sieg über den Tod anmutet, Lady T. also verband mit dieser besonderen Verführung eine hochgesinnte Seele, die es wenig verlockte, sich
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