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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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Norditalienern »neapolitanische Krankheit«, bei den Franzosen »italienische Krankheit«, bei den Engländern und den Deutschen »französische Krankheit« heißt.
    Ich schob also eine Magenverstimmung vor, schwang mich |313| in den Sattel und verließ mit Miroul und unserem Packpferd die französische Gesandtschaft, die unweit von Whitehall lag, dem prächtigsten Schloß Ihrer Majestät. Und weil ich in diesem reichen Viertel am Themseufer kein Quartier für mich zu finden glaubte, erfragte ich den Weg in die City von einem jungen Burschen, einem Lehrjungen, wie mich dünkte, der aber, anstatt Auskunft zu geben, fragte, aus welchem Land ich käme, und als er hörte, ich sei Franzose, mir einen entsetzten Blick zuwarf und davonrannte. Nicht besser erging es mit einer Milchträgerin, die, von mir angesprochen, feuerrot anlief und mir wortlos die kalte Schulter zeigte.
    »Bei Sankt Antons Bauch!« sagte ich, »sollte L’Aubépine wahr gesprochen haben, Miroul? In diesem Land sind die Schönen Eisblöcke!«
    »Ha, Moussu!« sagte Miroul lachend, »wartet’s ab! Es ist kein Eisblock, den Hand und Mund nicht wärmen und schmelzen könnten. Aber, fragt doch den Alten da, er hat ein gutes Gesicht, denk ich.«
    »Sir«, sagte ich, meinen Gaul zügelnd, »ich bin Flame. Ich komme soeben aus den Niederlanden und suche eine Unterkunft in der City.«
    Der Alte hielt inne, und mit einer gestrengen und ernsthaften Miene, als hätte ich nach einem Staatsgeheimnis gefragt, betrachtete er mich schweigend von Kopf bis Fuß, dann mein Pferd, dann Miroul, dann sein Pferd, dann das Packpferd. Hierauf blieb er stumm, und ich wollte, des Krieges leid, meinem Tier schon die Sporen geben.
    »Sir«, sagte er da, »ich meine, wenn Ihr Flame seid, werdet Ihr Philipp II. nicht mögen.«
    »Ich liebe ihn nicht.«
    »Und den Papst auch nicht?«
    »Den auch nicht.«
    »In dem Fall, Sir, steigt im ›Pope’s Head Tavern‹ in Cornhill ab.«
    »Wo ist Cornhill, Sir?«
    »Hier den Strand entlang, dann Fleet Street. Hinter St. Paul’s biegt Ihr ab nach Osten, durchquert Cheapside, dann kommt Cornhill.«
    »Sir«, sagte ich, meinen Hut lüftend, »vielen Dank, ich grüße Euch.«
    |314| »Sir«, sagte er und zog ernst seinen Hut, »möge Gott Euch beistehen und Euch beschützen!«
    »Moussu«, sagte Miroul, indem er an meine Seite kam, »der Mann gefällt mir. Er erinnert mich an Euren Onkel Sauveterre.«
    »Ha, gut, Miroul! Und gewiß hätte Sauveterre auch gerne im ›Pope’s Head Tavern‹ gewohnt.«
    »Was heißt das, Moussu?«
    »Wirtshaus zum Kopf des Papstes.«
    »Was? Zum Kopf bloß? Haben sie ihn hier in Gedanken geköpft?«
    »Es scheint so.«
    Und es schien mir mit einigem Recht so, wußte ich doch, daß die anglikanische Kirche und die Königin keinen wütenderen Feind hatten als Sixtus V., der noch erbitterter als seine Vorgänger die Jesuiten, Guise und Philipp II. gegen sie hetzte und sogar, wie ich hörte, die riesenhafte Flotte gesegnet und als »meine Tochter« angesprochen hatte, die Seine sehr katholische Majestät bauen ließ, um England zu überfallen.
    In Cornhill, wo wir nach einer guten halben Stunde anlangten, stach mir als erstes das Schild des Gasthauses ins Auge, das ich allerdings nicht als Beispiel guten Geschmacks preisen würde. Es zeigte eine grinsende, picklige Teufelsfratze mit einer Tiara, aus der zwei satanische Hörner und Haare wie Schlangen ragten. Doch machte das Haus, aus Ziegelstein und Holz, einen guten Eindruck, also saß ich ab, übergab Miroul meine Zügel und fand den großen Wirtssaal sehr reinlich, um diese Stunde aber leer. Der Wirt, der für einen Südfranzosen durchgegangen wäre, so dunkel an Haut und Haar war er, fragte in ziemlich schroffem Ton, was ich wolle, ich müsse doch wissen, daß Brot und Wein erst ab elf Uhr aufgetragen würden.
    »Mein Freund«, sagte ich, »logieren will ich. Ich, mein Sekretär und meine drei Pferde.«
    »Sir«, sagte er, »wer seid Ihr?«
    »Ich bin ein französicher Edelmann«, sagte ich, denn ich hielt es für klüger, einem Wirt die Wahrheit zu sagen, der dafür vermutlich vor seinem Stadtvogt geradestehen mußte.
    »Papist?«
    »Mein Freund«, sagte ich lächelnd, »würde ich hier wohnen wollen, wenn ich es wäre?«
    |315| »Papist?« wiederholte der Wirt, ohne mein Lächeln irgend zu erwidern.
    »Nein«, sagte ich, wie angesteckt von seiner Kürze.
    »Habt Ihr die Pest?«
    »Nein.«
    »Das werden wir sehen«, sagte er. »Sir, tretet hier ein«, fuhr er

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