Noch immer schwelt die Glut
senkte, mich im Spiegel gewahrte und mit einem lauten Schrei emporschoß, um mir an den Hals zu fliegen.
»Larissa!« rief ich, und die Stimme wollte mir in der Kehle stocken.
Mehr sagen konnte ich nicht, denn sie umhalste mich so unbändig und bedeckte mein Gesicht mit Küssen, und überglücklich erwiderte ich ihre stürmischen Ergießungen, zumal sich in meine Freude, sie gesund und frei wiederzufinden, ihre unglaubliche |344| Ähnlichkeit mit meiner Angelina mischte, nicht allein in Zügen, Haaren, Leib und Wuchs, auch ihre Haut war, wie bei meiner Angebeteten, lieblich, süß und duftend. Und mein Herz quoll über vor bewundernder Dankbarkeit für den weiblichen Zartsinn und Einfallsreichtum Ihrer Majestät der Königin, daß sie Larissa nicht nur die Freiheit schenkte, sondern mich auf so unverhoffte Art auch damit überraschte, als ich schon am Verzweifeln war.
Ach, Leser! Nichts mehrt und vervielfacht sich so wunderbar wie Freude, zieht doch die erste und wesentliche andere Freuden nach sich, wie es nunmehr der Fall war. Denn kaum hatte das Glück, meine geliebte Schwester nach so langer Zeit wiederzusehen, sich in mir entfaltet, als der Gedanke hinzutrat, daß ich nun ja sowohl meiner Angelina ihre zehrendste Sorge nehmen als auch meinem Giacomi die Dame seines Herzens heimbringen konnte.
Da Monsieur de Bellièvre, wie er sagte, bis zur Verurteilung Maria Stuarts in London bleiben und abermals versuchen wollte, die Königin umzustimmen, ich aber auf Grund meiner Geheimaudienz wußte, daß seine Chance dieselbe war, wie wenn er den Mond vom Himmel hätte holen wollen, erbat ich mir Urlaub von dem Gesandten, um nach Frankreich heimzukehren, ohne den Ausgang des Prozesses abzuwarten. Pomponne Pompös war meinem Verlangen nicht abgeneigt, hatte er doch, offenbar durch einen gewissen ligistischen Edelmann, der gut Englisch sprach, von meinen Abmilderungen und Abschwächungen seiner Rede Wind bekommen, jedenfalls gewährte er mir sogleich Urlaub in dem Gedanken, daß besagter Edelmann seine Worte getreulicher wiedergeben werde als ich.
Gleichwohl schied man unter Freundlichkeiten, die seinerseits zwar ein wenig nach Gift und Galle schmeckten, jedoch immer eingehüllt waren in seinen höfischen Lack und Wortschwall. Und Lady T. war so gütig, uns in ihrer Kutsche und mit starkem Schutz nach Dover zu geleiten, wo wir gerührten Abschied voneinander nahmen.
Angelina war nicht zu Hause, als wir in Paris eintrafen, und so ließ ich Larissa, um zum Louvre zu eilen und den König zu unterrichten, der hochzufrieden vernahm, daß die englische Königin sich seinen Plänen nicht verschloß. Allerdings dünkten mich selbst diese Pläne ein wenig gewunden und ungewiß, |345| da Heinrich ja sozusagen einen Einfall ausländischer Truppen in sein eigenes Reich beförderte in der Hoffnung, diese würden diejenigen des Herzogs von Guise zerschmettern. Seine Zufriedenheit dauerte indes nur kurz, denn tagtäglich hörte der König nun von Umtrieben gegen ihn in Paris und von neuesten Plänen der Liga, sich der Stadt zu bemächtigen, seinen Rat zu ermorden und ihn selbst gefangenzusetzen, um ihn ins Kloster zu sperren.
Am 18. Februar 1587 wurde Maria Stuart in der Halle von Schloß Fotheringay auf einem schwarzumkleideten Schafott enthauptet. Daß sie schuldig war – wer wollte es bezweifeln, wenn nicht die fanatischen Ligisten, die sich verstiegen, die ehebrecherische Komplizin des Mordes an ihrem Gatten als »Heilige« zu preisen, eine abtrünnige Königin, die nicht nur ihr und das englische Reich einem fremdländischen Herrscher hatte übereignen wollen, sondern die auch gegen das Leben Elisabeths komplottiert und eine ausländische Invasion befürwortet hatte. Trotzdem ließen mich die Berichte über ihre Aburteilung und Hinrichtung nicht kalt, weigert sich doch meine Vorstellung, die Tötung einer Frau zuzulassen, und wäre Maria Stuart auch tausendmal schuldiger gewesen, hätte ich dennoch nicht gewollt, daß ihr das schöne Haupt abgeschlagen werde.
Über Paris brach ein Hagel wutentbrannter Predigten, Streitschriften, Spottschriften und Verschen herein, lateinisch sowohl wie französisch, die einerseits die »edle Seele« und die »königlichen Tugenden« der »heiligen Märtyrerin« schluchzend in den Himmel erhoben, andererseits Königin Elisabeth zu allen Höllenstrafen und ewiger Finsternis verdammten, sie zur »Verbrecherin«, zur »königlichen Hure« und »unreinen Hündin« erklärten, zur »gottlosen
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