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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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Cousin«, sagte der König voll munterer Laune, »ich erhielt heute morgen ein Klistier, und weil ich mich davon ganz ausgeleert fühlte, stopfe ich mich nun, ich habe einen Mordshunger. Wollt Ihr nicht mithalten, mein schöner Cousin?«
    »Nein, Sire, das wäre zuviel der Ehre, auch habe ich schon gespeist«, sagte der Herzog, dem der König arglistig die fetttriefende Hand reichte, die Guise so respektvoll er konnte mit seinem Schnurrbart streifte.
    »Im übrigen«, sagte der König, indem er aufstand und sich Hände und Mund an einer Serviette reinigte, die Du Halde ihm reichte, »habe ich genug. Der Mensch kann nicht so verfressen sein, daß er seine Gier nicht zu mäßigen wüßte.
Corpus onus-
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tum hesternis vitiis animum quoque praegravat una
«, 1 fuhr er ernst und mit der Miene heitersten Einverständnisses fort, als hätte er vergessen, daß Guise kein Latein konnte. »Nicht wahr, mein Cousin, wir müssen unseren Geist klar erhalten, um unsere Affären zu besprechen, sind diese doch von größter Konsequenz für die Zukunft dieses unglücklichen Reiches, das in Dingen der Religion so schmerzlich zerrissen ist.«
    »Ja, leider, Sire«, sagte der Herzog, indem er die Hände demutsvoll vor sich faltete. »Wollte Gott, alle Räte Eurer Majestät verteidigten die heilige Katholische Kirche so eifrig wie ich.«
    »Oder ich«, sagte der König nicht ohne eine Spur von Hochmut, »denn Ihr werdet an meiner Entschlossenheit nicht zweifeln, in diesem Reich keine andere als die katholische Religion zu dulden. Aber, dies bedarf der Vorsicht, mein Cousin. Wie Ihr sehr wohl wißt, sammelt sich an unseren Grenzen ein großes fremdländisches Heer, das, wenn wir die Waffen gegen den König von Navarra wiederaufnehmen, in unsere Provinzen einfällt, alles verheert, zahllose Leiden schafft und am härtesten das arme Volk trifft. Sind wir bei diesem traurigen Stand der Dinge nicht von der Not gedrungen, eher einen guten Frieden zu erkaufen als einen völlig ungewissen Krieg?«
    »Ah, Sire«, rief der Herzog, »das sehe ich nicht so! Niemals akzeptiere ich einen Frieden, der nicht die Unantastbarkeit des Glaubens unserer Väter garantiert! Sire, ich flehe Euch an, werft Eure Augen auf die sterbende Religion und widmet Euch mit ganzem Herzen ihrer Rettung, achtet nichts als zu schwierig und nichts als zu gefährlich für dieses hehre Ziel. Sire«, fuhr er fort, »niemals hat Euer Volk etwas so sehr gefürchtet wie den Einsturz des Himmels. Und es weiß unumstößlich, daß es unterm Banner des Herrn alle seine Feinde bezwingen wird.«
    Daß diese scheinheilige Sprache – die den zügellosen Ehrgeiz des abtrünnigen Herzogs mit der Religion bemäntelte – dem König ein Ekel war, will ich gern glauben, denn er wandte den Kopf ab, seine Oberlippe zuckte, ohne daß er es ganz beherrschen konnte, und er schritt, die Hände auf dem Rücken, hin und her durch den Raum.
    |349| »Mein Cousin«, sagte er endlich, indem er vor dem Herzog von Guise innehielt, »seid Ihr Euch darüber im klaren, daß der Frieden den Hugenotten gar nichts nützt? Denn haben wir sie dann nicht in der Hand durch ihr Interesse, wieder katholisch zu werden, sei es, um sich feste Plätze zu sichern, sei es, um ihre Geschäfte zu betreiben, sei es, um zu heiraten, denn es gibt im Reich sehr viel mehr Frauen von der römischen Kirche als von der reformierten Kirche. Sicherlich braucht diese Rückeroberung Zeit, doch vollzieht sie sich mit sanften Mitteln und durch Überzeugung, während wir mit Waffengewalt nur Märtyrer schaffen, deren Blut ihre Kirche stärkt. Die Verfolgung der neuen Gesinnung begann unter meinem Großvater, setzte sich fort unter meinem Vater und dann unter meinem Bruder Karl IX. Ich selbst war ihr Schwert bei Montcontour, bei Jarnac, bei La Rochelle. Und welchen Nutzen haben diese fast ein halbes Jahrhundert währenden Kämpfe, Belagerungen, Metzeleien und Scheiterhaufen erbracht, außer daß der König von Navarra stärker ist denn je und ein großes Heer von Deutschreitern unsere Grenzen bedroht? Verschlägt es Euch gar nichts, daß sie, bevor sie in dieses Reich einbrechen, durch Lothringen ziehen und das Herzogtum, dem Ihr entstammt, verwüsten werden?«
    »Die Gefahr nehme ich hin zum höheren Ruhm der katholischen Kirche«, sagte der Herzog derart hochtrabend, als wäre er der heilige Georg persönlich, berufen vom Herrn, den Drachen der Ketzerei zu zerschmettern. »Und Ihr, Sire«, fuhr er fort, »habt mit dem Vertrag von

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