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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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Siorac!«
    »Wiesel«, sagte Lady Markby.
    »Schon besser«, sagte Elisabeth. »Das Wiesel ist hübsch, geschmeidig, schlau und unerschrocken. Aber es ist auch blutrünstig. Und ich sehe nicht, daß Monsieur de Siorac seinesgleichen ans Leben ginge, außer um sich zu verteidigen. Nein, Monsieur de Siorac ist nicht so erdgebunden und grausam. Er fliegt! Er fliegt!«
    »Nennen wir ihn doch Lerche«, sagte Lady Markby.
    »Lerche!« rief die Königin und klatschte abermals in die Hände. »Die Palme ist dein, Markby! Lerche, finde ich, ist ein Fund! Monsieur le Chevalier, ich taufe Euch auf alle Zeiten meine kleine, hauseigene, französische Lerche. Ach, habe ich mir mit diesem Händeklatschen doch den verdammten Daumen gequetscht! Bei Gottes Tod, dieser Daumen ist ein Verräter von Daumen, er muß verurteilt werden, und morgen fällt er.«
    Worauf Walsingham in seiner großartigen, finsteren und schweigsamen Heiterkeit so nachsichtig lächelte, daß ich baff war.
    |338| »Tom!« rief die Königin, »einen Sitz her für Monsieur de Siorac!«
    Und als der riesenhafte Türsteher einen Schemel wie eine Feder herbeitrug, erhob ich mich, denn ich hatte die ganze Zeit mit einem Knie am Boden vor Ihrer Majestät ausgeharrt. Und als ich nun Platz nahm, mit fiebernden Schläfen, war ich wie trunken von der wunderbaren Güte, welche die Königin mir bezeigte, die, auch wenn ich wußte, daß sie sich durch mich an meinen Herrn wandte, mich dermaßen begeisterte, daß mir beinahe tatsächlich Flügel wuchsen, wie mein Spitzname es wollte.
    »Nun, meine Lerche«, sagte die Königin, indem sie sich in ihrem Lehnstuhl aufrichtete und, beide Hände auf den Lehnen, auf einmal eine beeindruckende Würde annahm, »singt mir Euer Lied aus Frankreich, und möge es meinem Ohr so angenehm sein wie der Sänger meinem Auge.«
    Das war zuviel für mich. Mir schlug das Herz wie ein Glockenschwengel. Mit weichen Knien, trockener und verknoteter Kehle, saß ich, und die ganze schöne Rede, die ich gefeilt und geschliffen hatte, war mir entwichen wie das Wasser aus dem Danaidenfaß.
    »Was denn! Was denn!« sagte die Königin, »ist meine Lerche etwa stumm?«
    Lady Markby lachte, Mundane lachte, und sogar Walsingham lächelte, wenn auch anders als vorher, denn sein unwirsches, dunkles Gesicht nahm einen Ausdruck gerührter Duldsamkeit an, das mir zeigte, wie sehr er diese Königin im stillen vergötterte, der er, ebenso wie dem Staat, mit so großer, aufopfernder Liebe diente. Wollte Gott, es gäbe in Frankreich solche redlichen und entschlossenen Minister, denen die Erhaltung und Größe des Reiches noch über ihr Leben geht.
    »Mundane«, sagte die Königin lachend, »gebt meiner kleinen, hauseigenen, französischen Lerche einen Schluck Wein, damit ihr der Nektar die Stimme löst.«
    Ach, Leser! Wie gierig trank ich diesen Kelch Wein und wie beflügelte er mein Herz. »Majestät«, begann ich, »alles, was ich Euch sagen werde, wurde mir von Mund zu Ohr gesagt von meinem König Heinrich III., und er sagte es im Vertrauen und ohne Zeugen in seinen Gemächern, damit ich seine Worte, ohne etwas hinzuzufügen noch auszulassen, seiner geliebten Schwester, der Königin von England, übermittle.«
    |339| »Hat er ›geliebte‹ gesagt?« fragte Elisabeth, ihre Brauen wölbend, die zum reinen Bogen gezupft und mit einem zarten schwarzen Strich betont waren.
    »Er sagte es, Majestät.«
    »Wie charmant die Franzosen sind!« sagte die Königin mit einem Sprühen in den Augen. »Überall legen sie Liebe hinein! Doch sehen wir weiter.«
    »Mein Herr ist der Meinung«, sagte ich, »daß Eure Majestät Ihrer Sicherheit alleiniger Richter ist, ebenso auch jeglicher Maßnahmen, welche Sie treffen wird, um Ihre Person und Ihr Reich vor Angriffen Ihrer Feinde zu schützen, welche es auch seien.«
    »Hat mein geliebter Bruder«, fragte die Königin lächelnd, »wirklich gesagt, ›welche es auch seien‹?«
    »Er hat es gesagt.«
    »Welch machiavellistische Diplomatie«, meinte Elisabeth. »Nach Pomponne der Anti-Pomponne. Welchem soll man glauben?«
    »Dem zweiten, Majestät«, sagte ich fest.
    »My moor«,
sagte Elisabeth, »was haltet Ihr davon?«
    »Daß der König von Frankreich von allen Seiten so bedrängt ist, daß er nicht anders kann, als machiavellistisch zu sein.«
    »Meine Lerche«, fuhr die Königin fort, »darf ich hieraus schließen, daß mein geliebter Bruder den Prozeß gutheißt?« (Erstaunlich: Maria Stuart wurde in diesem Gespräch nie genannt,

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