Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
Vom Netzwerk:
Nemours das gleiche geschworen.«
    »Gegen den es seither nur zu viele Verstöße gab«, sagte der König bitter.
    »Von Eurer Seite, Sire!« schrie der Herzog von Guise, indem er Seiner Majestät ins Wort fiel, so grob und unbeherrscht, daß Epernon nach seinem Degen griff. Aber der König sah es, warf ihm einen strengen Blick zu, und die Hand des Günstlings sank augenblicks nieder.
    Jedoch blieb die Geste nicht unbemerkt von Guise, und als fürchte er, rücklings erdolcht zu werden, machte er eine rasche, doch irgendwie steif anmutende Drehung, was darauf hindeutete, daß er unterm Wams ein Kettenhemd trug. Als er hinter sich aber nur Du Halde und mich sah, die wir ganz friedlich |350| vor der Tapisserie standen, beruhigte er sich und nahm seinen Faden in gedämpfterer Tonlage wieder auf.
    »Sire, ich beklage mich über die schlechte Behandlung der Städte, welche die Austreibung der sogenannten reformierten Kirche gefordert haben. Man ruinierte die Zitadelle Mâcon, die dies verlangte! Man überrumpelte Valence! Man stieß Brissac, Croisilles, Gessan und Entragues in Ungnade, weil sie der Liga angehören! Man zog die Gelder ab, die für den Krieg angesammelt waren! Sieht all das«, setzte er mit Schärfe hinzu – konnte die Kaskade dieser ›man‹ doch nur auf den König abzielen –, »etwa nicht danach aus, als wollte man der Ketzerei den Rücken stärken?«
    »Nichtsdestoweniger«, entgegnete der König mit Feuer, »gibt es keinen Fürsten der Welt, dem es mehr am Herzen läge als mir, sie auszulöschen. Nur meine ich, daß die Anführer der Liga einen sehr falschen Weg dahin beschreiten. Was in mir die Vermutung weckt«, fuhr er fort, und seine schönen schwarzen Augen warfen plötzlich einen funkelnden Blick auf den Herzog,
»daß sie weit mehr anstreben.«
    Diese Worte und dieser Blick waren so eindeutig, daß Guise erblaßte, den Mund öffnete, wieder schloß und aufs neue argwöhnisch um sich spähte. Doch Epernon saß mit gekreuzten Armen, gesenkten Lidern auf einem Schemel, und da auch die anderen Anwesenden still waren, faßte er wieder Mut, wenn auch mit der etwas verdatterten Miene des Heuchlers, der, seines Heuchlermantels entkleidet, nackt und bloß dasteht.
    »Aber, Sire«, sagte er dumpf, bemüht, seine Großspurigkeit zurückzugewinnen, »gibt es denn irgendeinen Anschein …«
    »Es gibt mehr, als mir lieb ist!« sagte der König, ihn seinerseits unterbrechend. »Wer in diesem Land wüßte nicht, daß
man
von mir feste Plätze gegen die Hugenotten forderte in Provinzen, wo kein Anlaß bestand, sie zu fürchten; daß
man
mir Dourlens und Pondormy durch Heimtücke nahm; daß
man
mich in Boulogne überrumpelt hätte, wäre der Schlag durch den tüchtigen Hauptmann Le Pierre nicht abgewendet worden! Daß
man
mir ebenden Hauptmann Le Pierre erschlug, zur Strafe für den treuen Dienst an seinem König; daß
man
in Vitry-le François eine Zitadelle gegen mich errichtete; daß
man
den Gouverneur ablehnte, den ich für Rocroy ernannt hatte. Und was den Abzug der Gelder angeht, den Ihr beklagt«, fuhr |351| er fort, indem er mit einem jähen Blitzen in den Augen vom »man« zur direkten Anrede wechselte, »habt Ihr die hunderttausend Ecus, die Ihr für den Bau der Zitadelle Verdun erhieltet, nicht verschwendet? Ha!« sagte er, »ich fände kein Ende, wollte ich alles aufführen! Aber viele Dinge übergehe ich, werden sie um Eurer Ehre willen doch besser verschwiegen als ausgesprochen …«
    »Meine Ehre, Sire!« schrie der Herzog, der abermals alle Farbe verlor, und er schien seine zerstreuten Kräfte zum Abmarsch zu sammeln, verbot ihm doch seine Ehre (die in Wirklichkeit längst dahin war), auf dem Platz zu bleiben.
    Der König sah es, aber ein Bruch paßte nicht in seine Pläne. Denn wenn es zum Krieg käme, und angesichts der starren Haltung der Liga sah es ganz danach aus, so rechnete er damit, daß das große ausländische Heer die Armeen des Herzogs ohnehin zerschlagen würde. Also wechselte er mit bewundernswerter Geschmeidigkeit plötzlich Gesicht und Stimme und faßte Guise nahezu freundschaftlich bei den Armen.
    »Mein schöner Cousin, reden wir nicht mehr davon«, sagte er im heitersten Ton. »Ihr beanstandet meine Verstöße gegen den Vertrag von Nemours. Ich beanstande die Euren. Sie wiegen einander wohl auf. Da wird man Ordnung schaffen müssen, wenn möglich. Aber für den Augenblick – der schwierig genug ist – laßt uns mit meinem Rat zusehen, wie wir die Hugenotten angreifen und

Weitere Kostenlose Bücher