Noch immer schwelt die Glut
und doch drehte es sich nur um sie.)
»Nein«, sagte ich.
»Nein!« rief die Königin. »Aber wo bleibt Eure gallische Logik? Lerche, deine Schlußfolgerung widerlegt deine Prämissen!«
»Oh, nein, Majestät!« sagte ich. »Mein Herr ist der Ansicht, daß im Falle von Majestätsbeleidigung die Exekution vor dem Urteil erfolgen sollte, und nicht umgekehrt.«
»Die Exekution vor dem Urteil erfolgen«, wiederholte die Königin,
» my moor
, was bedeutet dieser Jargon?«
»Daß man den Verräter hinrichtet ohne Prozeß.«
»Aber das ist Mord!« sagte die Königin voll Entrüstung, »und strikt gegen die Auffassung meines Volkes. Es will den Schuldigen in aller Form verurteilt sehen, auch wenn am Urteil kein Zweifel besteht.«
|340| Worauf ich leise lächelte, doch ohne eine Wort zu sagen, erkannte ich doch kaum einen Unterschied zwischen dem Degenstoß, der Coligny tötete, und dem Henkersbeil, wenn es dem Herrscherwillen so artig gehorcht.
»Die Franzosen«, sagte Walsingham, der mein Lächeln bemerkte, »haben andere Sitten als wir, sie hegen weniger Respekt vor dem Gesetz und den Formen. Wenn der Herrscher und seine Räte befinden, daß ein Vasall ein Verräter ist, beschließen sie seinen Tod ohne Prozeß und Richter und beauftragen einen Vertrauten mit der Exekution.«
»Ohne Prozeß und Richter!« rief Elisabeth, »das gibt es in Frankreich?«
Worauf Walsingham, da ich nicht antworten wollte, bejahend nickte.
»Weiter, meine Lerche«, sagte die Königin, die trotz aller Mißbilligung nicht auf diesem Punkt beharren wollte, damit es nicht aussähe, als kritisiere sie ihren »geliebten Bruder«.
»Indessen«, fuhr ich fort, »ist mein Herr auch der Ansicht, daß Ihr besser als irgend jemand auf der Welt über die geeigneten Methoden und Mittel entscheiden werdet, Euch am Leben zu erhalten und den Frieden in Eurem Staat zu bewahren.«
»Man kann nicht behaupten«, sagte die Königin lächelnd, »daß Subtilität ein Schwachpunkt des Königs von Frankreich wäre. Weiter, meine Lerche.«
»Was ich jetzt zu sagen habe«, fuhr ich nicht ohne einige Bewegung fort, »hat mit der Person, über die wir sprachen, nichts mehr zu tun. Doch ist diese Botschaft so geheim und von so großer und weitreichender Folgekraft, daß mein Herr mir empfahl, sie allein den Ohren Eurer Majestät zu übermitteln.«
»Sing, Lerche, sing!« sagte die Königin energisch. »Alle Ohren hier, wenn auch verschiedenen Köpfen zugehörig, sind meine. Sie haben mein volles Vertrauen.«
»Majestät«, sagte ich, indem ich ein wenig um Atem rang, so erdrückte mich die unerhörte Seltsamkeit dessen, was ich nun vorzubringen hatte, »mein Herr weiß, daß sein Schwager und Freund, der König von Navarra, den er nur widerwilligen Herzens und gezwungen bekriegt, Eure Majestät um Beistand, um Summen und Subventionen ersucht hat, mittels derer er in Deutschland ein Heer rekrutieren will, das ihm in diesem Bruderkampf Hilfe leisten soll. Majestät«, fuhr ich mit bebender |341| Stimme fort, »was nun folgt, ist so überraschend, daß ich es kaum auszusprechen wage, aus Furcht, daß Ihr mir nicht glauben werdet.«
»Ich ahne etwas«, sagte die Königin mit bebenden Nüstern. »Fahr fort, Lerche.«
»Mein Herr«, fuhr ich fort, bemüht, meine Stimme zu festigen, »läßt Euch mitteilen, falls die Ablehnung, die Eure Majestät diesem Ersuchen bislang entgegensetzte, der Rücksicht auf den König von Frankreich entsprang, so wäre er nicht allzu verärgert, wenn die Regierung Eurer Majestät sich solcher Rücksicht entschlüge.«
»Hast du das gehört,
my moor
?« sagte die Königin.
»Ja, Majestät«, sagte Walsingham, als halte er den Atem an. »Weiter! Weiter!« sagte die Königin.
»Mein Herr meint, in der Tat, daß ein Heer zugunsten des Königs von Navarra die Kräfte des Herzogs von Guise aufwiegen würde und daß …«
»Und daß …«, sagte die Königin.
»Daß besagtes Heer, würde es nach Grenzüberschreitung sich in Lothringen festsetzen, in Lothringen, sage ich, und es verheeren, ohne nach Frankreich vorzustoßen, unfehlbar die Armeen des Herzogs von Guise auf sich ziehen müßte. Und würden diese geschlagen oder geschwächt, gewänne der König von Frankreich weit größeren Spielraum, mit dem König von Navarra zu verhandeln, mit dem er sich immer gut einigen konnte und den er bereits als seinen Nachfolger auf Frankreichs Thron ausgerufen hat.«
Hierauf trat langes Schweigen ein, Blicke gingen zwischen der Königin und
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