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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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Kupplerin« und »Kurtisane, die ihren Aussatz mit unschuldigem Blut heilen wolle«, und endlich, was den Schimpf auf den Gipfel der Lächerlichkeit trieb, zur »verhaßten Brut eines gotteslästerlichen Raben«, mit welchem König Heinrich VIII. gemeint war.
    Wenn mein Gedächtnis mich nicht trügt, war es Mitte Juni, als der König erfuhr, daß sich an unseren Grenzen jenes ausländische Heer formierte, für welches Königin Elisabeth dem König von Navarra, wie durch meine Gesandtschaft nahegelegt, schließlich die Mittel bewilligt hatte. Und wirklich sah |346| ich, daß Heinrich bei der Nachricht nicht eben betrübt war, diente dieses Heer doch in mehrfacher Hinsicht seinen machiavellistischen Plänen und lieferte ihm vor allem Argumente, Guise von dem unverzeihlichen Krieg gegen die Hugenotten abzuhalten angesichts der Bedrohung, welche dem Reich durch die Invasion der Deutschreiter erstand, vor allem jedoch dem Lothringer Land, aus welchem der Herzog den Großteil seiner Einkünfte bezog.
    Es war nicht leicht, Guise zu einer Begegnung mit dem König zu bewegen, war doch sein Argwohn sehr geschärft, man könnte ihn in Hinterhalt und Überrumpelung locken, denn er hatte Warnung erhalten, daß der König, auch wenn er in liebreichen Briefen noch so gute Miene gegen ihn bezeige, ihm insgeheim nicht wohl wolle. Doch schließlich gelang es mit Hilfe der Königinmutter, die, eher ligistisch denn königlich gesinnt – obwohl der König ihr Sohn war –, vermittelte, wie sie es liebte, den Herzog in Châlons besuchte, wo er sein Hauptquartier hatte, und ihn überredete, nach Meaux zu kommen, um sich mit dem König auszusprechen. Was er endlich tat, nicht ohne abermals etliche Tage zu zaudern, in deren Verlauf wir zu Meaux die traurige Heldentat der Herzogs von Joyeuse zu La Motte-Saint-Eloi vernahmen, welcher vier- bis fünfhundert Hugenotten, die sich ihm nach kurzer Belagerung unter Zusicherung des Lebens ergeben hatten, entgegen dem gegebenen Wort und den Kriegsgesetzen erbarmungslos hatte niedermetzeln lassen – außer einem, der sich retten konnte und von dem noch die Rede sein wird.
    Der andere Herzog nun, den es so heiß nach dem Thron meines Herrn gelüstete, faßte endlich Mut genug, sich nach Meaux aufzumachen, wo ihn der König mit dem Hof erwartete und wo er am 2. Juli mit zahlreichem Gefolge eintraf. Ich hatte ihn lange nicht gesehen und fand ihn wenig verändert, diesen, mit Ausnahme von Epernon vielleicht, prächtigsten, größten, kraftvollsten, tatkräftigsten und gewandtesten aller Prinzen des Reiches. Und, wahrhaftig, wenige unter ihnen konnten ihm die Palme streitig machen, was Schönheit anging, hatte er doch samtige Mandelaugen, feine Züge und trug über bezaubernd geformten Lippen einen keck gezwirbelten Schnurrbart. Doch während ich ihn in seiner sterblichen Hülle betrachtete und meine Bewunderung mit jeder Minute wuchs, so herrlich war |347| seine Erscheinung, mußte ich unter seinem glanzvollen Äußeren doch ein falsches und heuchlerisches Wesen entdecken.
    Nicht daß nicht auch der König Komödie spielte. Man sparte auf beiden Seiten nicht mit zärtlichen Umarmungen, freundlichen Blicken und liebreichen Bekundungen, wohl wissend, daß diese Grimassen nichts wie höfischer Schmus waren, der das Denken im Hinterkopf verhehlte. Indes war der Vorsatz bei diesem Spiel nicht derselbe. Der König wollte Frieden und setzte sich glühend dafür ein, während Guise darauf brannte, im Blut der Franzosen und im Elend des Volkes zu waten, um sich den Weg zum Thron zu bahnen. Alles ertrug seine Seele, außer nicht Herrscher zu werden.
     
    Der König, dem der ehrwürdige Doktor Marc Miron am selben Morgen ein Klistier verordnet hatte, weil er sehr leidend war, empfing den Herzog von Guise in seinem Gemach. Um diesem nun keinen Anlaß zu bieten, sich ob seines üblen Ergehens mit Hoffnungen zu schmeicheln, daß seine Nachfolge offenstehe, raffte er sich und ließ sich ankleiden, bevor sein gefährlicher Besucher hereingeführt wurde, ließ Wein, Brot und zwei Kapaune auftragen, welche zu verzehren er Miron, Du Halde, Chicot und mir befahl, bevor er selbst sich dazusetzte und, eine Keule in der Hand, den Prasser spielte, der das Fleisch mit vollen Zähnen schlang, als der Lothringer, ganz Lächeln, hereintrat. Und da er auf den ersten Blick den bedeutenden Umfang des Schmauses ermaß, erstarb ihm das Lächeln, sein Gesicht wurde lang, sosehr er sich auch bemühte, es wieder aufzuhellen.
    »Mein

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