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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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und nochmals leiden. Qual währt lange.
    Ich bitte und flehe dich an,
mi fili
, indem ich mich an dich wende als meinen einzigen und unwandelbaren Freund, kümmere dich um den Unglücklichen, habe acht auf ihn. Ich möchte ihn nicht halb verhungert und obdachlos auf der Straße wissen, hänge ich an ihm doch noch, zermalmt von seinem Verrat. Sobald du nach Paris heimkehrst, werde ich dir erstatten, was dich sein Unterhalt kostet.
Vale, mi fili.
Mir tropfen beim Schreiben die Augen. Und bitte, kein Wort zu deiner anbetungswürdigen Gemahlin, die für mich Mutter, Tochter, Schwester und noch viel mehr ist.
Mi fili
, sei mir umarmt! Da mir Gebete keinen Trost bieten, bitte ich um ein Gedenken dann und wann.
    Dein Fogacer
     
    Ha, dieses Gedenken widmete ich ihm gewiß tausendmal. Weil aber einiges in diesem Brief mich unklar dünkte, wollte ich Silvio danach fragen. Ich klopfte zweimal an seiner Tür, ohne Antwort zu erhalten, worauf ich kurz entschlossen eintrat. Zu meinem großen Erstaunen fand ich Zara bei Silvio, sie in dem einzigen Lehnstuhl dort wie eine Königin, sehr hochnäsig und abweisend, und vor ihr auf Knien, gleichsam die Hände ringend, mit ganz verzagter Miene, das Gesicht tränenüberströmt, |377| er – der bei meinem Eintritt wie tief erschrocken aufsprang und geflohen wäre, glaube ich, hätte ich ihn nicht bei der Hand gefaßt und auf einen Schemel genötigt.
    »Silvio«, sagte ich, »was ist das? Was macht Zara hier? Was bedeuten diese Tränen?«
    Weil Silvio aber schamvoll den Kopf senkte und seine Tränen weiter rannen, wandte ich meinen fragenden Blick auf Zara, die, ohne ihren Hochmut abzulegen, eine geradezu geringschätzige Miene aufsetzte.
    »Ich hatte Silvio, ohne jedes Treuversprechen, aufgefordert, mich zu schwängern, und nachdem das eingetreten ist, will er mir, anstatt seine Verabschiedung hinzunehmen, die ich ihm redlich angekündigt hatte, am Leibe kleben wie eine Laus im Mönchsbalg.«
    »Was?« sagte ich und glaubte meinen Ohren nicht, »du und schwanger, Zara? Schwanger von Silvio? Du, die Männer angeblich haßt?«
    »Ich hasse sie immer noch«, sagte Zara mit unendlicher Verachtung, »trotzdem wollte ich schwanger werden, um mich an Gertrude zu rächen, und ich habe den hier genommen, weil er noch jung und weichlich und kein ganzer Mann ist.«
    »Weichlich!« schrie Silvio, und augenblicks versiegten seine Tränen. »Weichlich!« schrie er, die dunklen Locken schüttelnd. »Hast du nicht einigen Grund, vom Gegenteil zu sprechen?«
    »Du verstehst schon«, sagte Zara mit niederschmetternder Hoheit. »Und kannst du dir schmeicheln, Bürschchen, daß ich dir die Ehe versprochen hätte? Dir oder wem sonst?«
    »Aber, Zara«, sagte ich verdattert, »wenn du keinen Mann zur Ehe willst, wie willst du dann ein Kind aufziehen?«
    »Ha, keine Bange, Monsieur le Chevalier!« sagte sie unglaublich herablassend, »das kann ich ganz allein! Wenn nötig, arbeite ich eben mit meinen Händen!« setzte sie hinzu, indem sie auf ihre schönen, langen Hände niederblickte, als verwunderte es sie selbst, daß sie die zur Arbeit zwingen wollte.
    »Zara! Zara!« sagte ich und wußte nicht, sollte ich über ihren Unverstand lachen oder zürnen, »mußtest du es so weit treiben, um deinen Groll gegen Gertrude zu befriedigen? Ist es nicht Tollheit, schwanger zu werden, nur um sie zu ärgern? Glaubst du, sie gibt dir eher nach, wenn du ein Kind geboren hast?«
    |378| »Ich weiß nicht«, sagte Zara, und ihre Augen wurden plötzlich traurig. »Ich kann nicht glauben, daß sie mich nicht mehr liebt, nach so vielen Jahren, und daß sie mich ganz vergessen hat und mir nicht helfen und mich bei sich haben will. Ohne sie hat mein Leben keinen Sinn.«
    Auf einmal sprach die echte Zara, echten Tränen nahe, ohne Überheblichkeit, ohne Hochmut, und ich verstand, daß dieses Kind eine Art Hilferuf war und daß sie verzweifelt hoffte, es mit Gertrude zu teilen und aufzuziehen. Dieser Gedanke rührte mich, ich nahm sie in die Arme, küßte sie und schickte sie hinaus, indem ich sie bat, Angelina nichts davon zu sagen, um sie nicht zu betrüben, und mich erbot, mit Gertrude zu sprechen. Als Zara das hörte, fuhr sie auf und sagte mit Schärfe, das dürfe ich auf keinen Fall. Aber, Sie wissen ja, schöne Leserin, was solche Verbote wert sind, und daß sie ausgesprochen werden, damit man sie übertritt.
    Silvio, der die ganze Zeit still und stumm geblieben war, machte einen Versuch, sich zu erheben, als Zara zur Tür

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