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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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einen Narren umfaßte.
    »Mein Herr Bruder«, sagte er, als wir allein waren, mit wichtiger Miene, »mich schickt der König. Er wünscht Euch im Louvre zu haben.«
    »Ha! Mein Bruder! Mein Bruder!« rief ich überglücklich, »wie habe ich all diese Monate auf dem Land an meiner Trense gekaut. Endlich soll ich ihm wieder dienen! Wißt Ihr, in was?«
    »Ja, er sagte es, auch wenn mir das böhmische Dörfer sind. Der König will, daß Ihr Verbindung zu einem gewissen Mosca aufnehmt, falls es nicht Leo war. Ich wiederhole nur, was ich verstand, ohne eine Person dieses Namens am Hof zu kennen. Den Ihr, mein Herr Bruder, übrigens sehr entvölkert finden werdet, verlassen Heinrich doch täglich immer mehr hohe Herren, um sich Guise anzuschließen.«
    »Steht es so schlecht?« fragte ich mit zugeschürter Kehle.
    »Ha, mein Herr Bruder!« sagte Quéribus mit einer Bitterkeit, die ich nicht an ihm kannte, »es wird immer schlimmer! Man braucht nur durch die Pariser Straßen zu ziehen und hört den erstbesten sagen: ›Holen wir doch diesen schwulen König aus dem Louvre und stecken ihn ins Kloster!‹ Und niemand getraut sich, den Unverschämten Schweigen zu gebieten oder sie zu tadeln, aus Angst, vom Pöbel in Stücke gerissen zu werden, so groß ist die Verachtung dafür, daß Heinrich die hugenottischen |381| Deutschreiter nicht zerschlagen hat. Ist es nicht unglaublich, daß man den König als Verräter an der Kirche erachtet, nur weil er menschlich war?«
    »Was«, sagte ich, »ist es dahin gekommen?«
    »Dahin und noch weiter«, sagte Quéribus. »Als mein Beichtvater mich wegen eines Wechselfiebers nicht anhören konnte und ich einem anderen Pariser Pfarrer beichten wollte, fragte der mich als erstes: ›Mein Sohn, seid Ihr für die Liga?‹ – ›Nein, Pater‹, sagte ich. – ›Mein Sohn, dann kann ich Euch nicht anhören, mein Gewissen verbietet mir, Euch Absolution zu erteilen.‹ Stellt Euch das vor!«
    »Das ist doch hirnschellig!« rief ich.
    »Hirnschellig«, sagte Quéribus bitter, »ist ein schwaches Wort, um diese Verquickung von Politik und Klerisei zu bezeichnen. Ach Pierre! Die Religion ist zum puren Haß geworden! Es ist, als schrien die Prediger: Unser täglich Blut gib uns heute! Ohne Ketzerausrottung kein Glauben mehr! Keine Hoffnung! Kein Heil! Dahin, mein Bruder, sind wir gekommen!«

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    |382| ZWÖLFTES KAPITEL
    Eingedenk des guisardischen Überfalls auf mein Haus, als ich in Sedan weilte, hielt ich es für geraten, Angelina nicht nach Paris mitzunehmen, sondern samt den Kindern in Chêne Rogneux zu lassen, wo sie weinend und verzagt zurückblieb und ich voller Schwermut von ihr schied, mußte ich sie doch nun auf lange Zeit missen. Ich reiste nur mit meinem guten Miroul, seiner Florine und dazu dem traurigen Silvio, der nun nicht länger unter einem Dach mit Zara leben mußte, ohne ihr nahe kommen zu dürfen.
    Vor dem Aufbruch eilte ich mich aber, meinen Samson noch zu umarmen, der wie stets mit seinen Pillen und Tränken so glücklich beschäftigt war, daß er kaum etwas von der Zerrüttung des Reiches wußte. Auch nahm ich mir Gertrude beiseite und suchte zu erkunden, wie sie inzwischen zu Zara stand, und da sie von Eloïse schon nicht mehr so angetan war wie am Anfang und nach ihrem gewohnten Hafer wieherte, sprach ich von Zaras untröstlichen Klagen, unter welchen Angelina heftig zu leiden habe, und daß sie, Gertrude, meinem Hause die Fröhlichkeit wiedergäbe, wenn sie die Flüchtige zurückführte in ihren Stall.
    Zuerst erbebte sie wie in neuer Hoffnung, verstockte sich aber erneut und sprach ein starres »Nein«, wofür sie sich dann sogleich entschuldigte und, Tränen in den Augen, versicherte, daß sie Zara gewiß liebe und ihre Beständigkeit über all die Jahre hoch schätze, daß Zara sie jedoch mit ihrer Liebe ersticke und daß sie sich die Sache erst überlegen müsse.
    Ich überließ sie ihren Überlegungen, staunend, daß es für sie gar keine Rolle zu spielen schien, was sich mit Silvio zugetragen hatte, doch zuversichtlich, daß die Waagschale sich zu Zaras Gunsten neigen und diese noch vor Weihnachten in die Apotheke zurückkehren werde. Und voller Vertrauen, meine Familie bald wieder geordnet und heiter zu sehen, wandte sich mein Geist, der häuslichen Sorgen ledig, desto freier den Angelegenheiten |383| meines Herrn zu, welche ich, kaum daß ich den Fuß ins brodelnde Paris setzte, noch verzweifelter fand, als Quéribus gesagt hatte.
    Zur Nachtzeit angelangt,

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