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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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ging, sie aber, seine Bewegung ahnend, wandte sich um und warf ihm einen so kalten Blick zu, daß der Ärmste wie vernichtet zurücksank.
    Ich empfand Mitleid mit ihm, sah es doch aus, als sei er in dieser Geschichte der große Verlierer, der den einen aufgegeben hatte, ohne die andere zu gewinnen. Und weil ich ihm Fogacers Abreise mitteilen mußte, bemühte ich mich, die schlimme Nachricht zu mildern, indem ich ihm die großzügige Entscheidung seines Herrn zu seinen Gunsten mitteilte, die ihn für dessen Entfernung zwar nicht entschädigte, ihm in dieser unfreundlichen Welt aber wenigstens Brot und Obdach sicherte. Zuerst erblaßte er, dann brach er in Tränen aus und konnte kein Wort sagen, so drückte ihn sein Kummer, und ich wartete ebenso wortlos, bis er sich wieder in der Hand hätte. Derweil betrachtete ich ihn schweigend und fand, daß es diesem liebenswerten Jungen künftig wohl an Freundinnen nicht mangeln würde, da er sich nun klar dem weiblichen Geschlecht zuwandte, hatte er doch etwas Maurisches in Teint und Farben, samtschwarze Augen, die rabenschwarzen Haare hübsch geringelt, der Mund voll und rosig, etwas zugleich Süßes und Männliches in der Zeichnung von Kinn und Wangen, das die Schönen nicht kalt lassen würde. Im übrigen nicht auf den Kopf gefallen, |379| sprach er leicht und angenehm, das Herz immer auf der Zunge, so lauter und aufrichtig war er.
    »Ach, Monsieur«, sagte er, indem er sich erhob, »welch seltsamer Verlust! Und wie leer mir das Leben erscheint! Ein so guter Herr! Ein so gelehrter Mann, menschlich und gütig! Nicht nur, daß er mich aus dem Rinnstein gezogen hat, er unterrichtete mich auch. Er war meine ganze Familie. Ich weiß ihm unendlichen Dank, und niemandem in diesem Reich werde ich jemals wieder so große Achtung und Freundschaft entgegenbringen.«
    »Trotzdem«, sagte ich, »hast du ihn seinerzeit in meiner Bibliothek sehr vor den Kopf gestoßen und schienst ihm in den letzten Wochen immer fremder zu werden.«
    Hierauf wußte er zuerst nichts zu erwidern, er lief nur rot an und senkte beschämt die Lider, doch erheischte mein geduldiges Warten eine Antwort.
    »Monsieur«, sagte er schließlich mit erstickter Stimme, »Ihr rührt da an einen Punkt, der jedem anderen ein Stein des Anstoßes ist, weiß ich doch von meinem Herrn Fogacer, daß Ihr mit der wahren Milch des Evangeliums genährt seid und seine Person und sein Wesen so nehmt, wie es ist, ohne ihn irgend dafür zu rügen und zu schmähen. Aber ich, müßt Ihr wissen, bin nicht aus dem Holz geschnitzt, das Ihr bei ihm duldet. Mein natürlicher Hang ist der Sodomie nicht zugeneigt – um die Dinge beim Namen zu nennen –, und nur aus Dankbarkeit fand ich mich dazu bereit, wollte aber schließlich doch ein Mann werden und jene Beziehung abbrechen. Deshalb ging ich nur zu willig auf Zaras Angebot ein und erkundete voller Neugier den weiblichen Körper, der mir ganz unbekannt war, und er berauschte mich. Aber, leider, Monsieur, besaß ich Zara nur, um sie zu verlieren.«
    »Immerhin, Silvio«, sagte ich, »wirst du ihr Gerechtigkeit erweisen müssen: Sie hat dir nichts versprochen und dich also nicht betrogen.«
    »Ja, aber wie hart und starr sie mich zurückstieß, als sie erreicht hatte, was sie wollte! Ha, Monsieur, so wunderbar schön diese leibliche Hülle auch ist, birgt sie doch bei weitem nicht ein so zärtliches und gütiges Herz, wie ich es von meinem Herrn kannte.«
    »Silvio«, sagte ich lächelnd, »diesem liebreizenden Geschlecht |380| fehlt es nicht an Herz, wie du eines Tages noch sehen wirst, du bist so jung, dir steht noch die ganze Welt offen, voll einer unendlichen Mannigfalt von Menschen. Bis dahin, Silvio, magst du bei uns bleiben, Miroul wird eine Aufgabe für dich finden, die dich von den Gedanken an deine Verluste ablenkt.«
    Er stammelte Dankesworte, und ich dachte, als ich ihn verließ, daß es dem armen Jungen nicht leichtfallen werde, im Haus immer wieder auf Zara zu treffen und Fogacer zu vermissen. Aber, was konnte ich dafür? Und wer war schuld, wenn einer auf dieser seltsamen Welt denjenigen nicht liebte, der ihn liebte, und jemanden liebte, der ihn nicht lieben konnte?
    Zum Glück oder Unglück, wie man will, war dieses Nebeneinander nicht von Dauer, denn am Abend dieses stürmischen und kummerreichen Tages traf Quéribus bei uns ein, gefolgt von seiner herrschaftlichen Eskorte, die außer einem Dutzend kräftiger Landsknechte einen Masseur, einen Barbier, einen Wahrsager und

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