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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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sich alle, Königin, Königinmutter, Kanzler und Minister, an Seine Majestät wie Zecken ans Hundefell und stellen ihm vor, daß er die Hinkefuß nicht verbannen könne, ohne einen Volksaufruhr auszulösen und Guise tödlich zu beleidigen.«
    »Und was tut der König?«
    »Er gibt nach, und sie bleibt! Ach, mein Freund, der König ist derart schlapp und ängstlich geworden!«
    »Schlapp? Ängstlich? Der Sieger von Jarnac und Montcontour?« versetzte ich entrüstet.
    »Ich gebe ja zu«, sagte l’Etoile seufzend, »daß er als Prinz ein beherzter Jüngling war, aber zur Stunde gleicht er einem Schlachtroß, dessen kriegerische Kühnheit sich auf langem Lotterbett verloren hat.«
    »Das glaube ich nicht«, sagte ich. »Der König spielt den Schwächling und Toren. Er ist es nicht. Wenn seine Stunde kommt, schlägt er zu.«
    »Ich glaube es nicht«, sagte l’Etoile, die Mundwinkel herabgezogen. »Der König ist durch seine Lustbarkeiten zu sehr erschlafft. Wißt Ihr, daß er auf Wunsch der Damen den Jahrmarkt von Saint-Germain um eine Woche verlängert hat und daß er sich alle Tage dorthin begibt und duldet, daß seine Lustknaben sich gegen die Weiber dort, Frauen wie Jungfern, endlose Dreistigkeiten herausnehmen? Und als wären ihm diese Schofeleien nicht genug, ruft er aus allen Stadtvierteln die schönsten Dämchen von Paris – die schönsten und ehrlosesten – in gewissen Häusern zusammen und veranstaltet mit ihnen Ballette, Maskeraden, Gelage und Schlimmeres womöglich, Lustbarkeiten jedenfalls, die er seine ›kleine Vergnügen‹ nennt und denen er sich mit wahrer Inbrunst ergibt, so als lebte das Reich im tiefsten |388| Frieden und als gäbe es keine Pfaffen, Ligisten, Guisarden und keinen Guise.«
    »Mein lieber l’Etoile«, sagte ich lachend, »Ihr liebt die Moral zu sehr, um Euch selbst zu lieben! Was werft Ihr dem König vor, daß er Knaben liebt oder Weiber?«
    »Beides!« sagte l’Etoile düster.
    Hierauf verließ ich ihn mit herzlicher Umarmung, ergötzt von seinen starren Vorsätzen, zugleich aber stark beunruhigt, daß, nach seinen Reden, die Dinge des Königs so übel standen, daß man sich bange fragen mußte, wohin diese aufrührerische Stimmung noch führen werde, hier in Paris, in seiner Hauptstadt, Sitz und Symbol seiner königlichen Macht.
    Kaum hatte ich mein Haus betreten, übergab mir Miroul ein Billett, das gesiegelt, aber nicht gezeichnet war und das ihm, als er ums Châtelet bummelte, von einer maskierten Dame zugesteckt worden war, die er für die Gesellschafterin Lady Staffords hielt, denn als sie ihren Handschuh abstreifte, habe er an ihrem Finger den mir wohlbekannten Ring gesehen.
    Ich erbrach das Siegel und las:
     
    Freunde des Mauren, welche Augen haben zu sehen und Ohren zu hören, warnen die kleine französische und persönliche Lerche der E. R., daß ihr Nest Tag und Nacht in großer Gefahr ist und daß sie sich unter anderem Gefieder in ein Freundesnest flüchten sollte.
     
    »Hier, lies, Miroul«, sagte ich, da seine schönen zwiefarbenen Augen nicht ohne Erregung an mir hafteten.
    »Nun«, sagte Miroul, »das ist so klar und durchsichtig wie Guises Gewissen. Ich verstehe kein Wort. Wer ist der Maure? Wer sind seine Freunde?«
    »Der Maure ist Walsingham. Und seine Freunde werden Agenten sein, die er in Paris unterhält.«
    »Und wer ist E. R.?«
    »Elisabetha Regina.«
    »Was? Die englische Königin! Und wer ist die ›kleine französische und persönliche Lerche‹?«
    »Ich. Es ist der Spitzname, den sie mir gab.«
    »Lerche!« rief Miroul und lachte hellauf. »Ha, Moussu, das ist lustig! Und wie das zu Euch paßt!«
    |389| »Miroul, was hältst du von dieser Warnung?«
    »Daß sie ernst zu nehmen ist. Zumal Mosca, den ich traf, Euch nicht einmal im Dunkeln besuchen will, es seien zu viele Argusaugen auf Euer Haus gerichtet, meint er.«
    »Miroul«, sagte ich, schnell entschlossen, »ich verkleide mich wieder als Tuchhändler und quartiere mich bei Alizon ein. Silvio, Florine und du, Miroul, den ich nicht mitnehmen kann, weil deine verschiedenfarbigen Augen mich überall verraten würden, ihr zieht zu Maestro Giacomi.«
    »Nein, nein, Moussu!« sagte Miroul entschieden. »Ich färbe mir die Haare schwarz und verdecke mein blaues Auge mit einer Blindenklappe. Florine ist geschickt genug, in Alizons Atelier die Nadel zu führen. Moussu, Ihr werdet auch bei Alizon einen Botengänger brauchen, und ich brauche Florine zu meinem Leben und Regen und Wohlbefinden.«
    »Gut

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