Noch immer schwelt die Glut
denn!« sagte ich lachend, »da hier der Diener dem Herrn befiehlt, und nicht umgekehrt! Ein schönes Sinnbild des Reiches übrigens.«
»Monsieur«, sagte Miroul, »ich bin Euer Sekretär und nicht Euer Diener.«
»Schön, mein Herr Sekretär«, sagte ich, »dann lauf und sage Mosca oder Leo, er soll mich im Dunkeln bei Alizon besuchen.«
»Ihr seid Euch ja sehr sicher, Moussu«, sagte Miroul, die Hand schon an der Tür und mit blitzendem Braunauge, »daß Ihr Alizon willkommen seid!«
»Ha, Miroul, Miroul!« rief ich, wiederum lachend, »hätte ich dich bloß von jeher an Schläge und Ohrfeigen gewöhnt: Du wärest nicht so frech!«
»Stimmt«, sagte Miroul, »aber ich würde Euch auch nicht lieben. Nehmt es in einem, Moussu: Frechheit wie Liebe.«
»Miroul«, sagte ich, die Hand zum Spaß gegen ihn erhoben, »soll ich dich ohrfeigen?«
»I bewahre!« rief er, Erschrecken spielend. »Eine Lerche hackt doch nicht.«
»Miroul«, sagte ich, bevor er verschwand, »wenn du zurückkommst, bring diese zehn Ecus hier zu Mérigot in die Nadlerei, aber geh besser durch die Hintertür, und sage ihm, er soll jetzt doppelt wachsam sein.«
Während Florine sich schaffte, das Haus ganz allein in Stand |390| zu bringen, weil unsere Mägde in Chêne Rogneux geblieben waren, fühlte ich mich sehr allein, als Miroul gegangen war. Ich klopfte an der geheimen Verbindungstür zu Giacomis Haus, hörte aber von einem Diener, der Maestro und Larissa seien ausgegangen und kämen erst am Abend wieder. Mir also selbst überlassen, verspürte ich auf einmal alle Müdigkeit der langen Reise, ging in mein Zimmer und legte mich nieder. Ich versuchte zu schlafen, aber vergeblich. War der Körper auch noch so müde, fand doch der Geist keine Ruhe, zu hochgespannt war meine Seele bei dem Gedanken an meine bevorstehenden Abenteuer. Meine Brust weitete sich und meine Nüstern blähten sich vor etwas wie Stolz und Trunkenheit, so als stampfte ich wiehernd mit den Hufen und schüttelte die Mähne voll Ungeduld, neuen Horizonten entgegenzueilen, gleichviel, welche Hinterhalte und Hindernisse mir auf diesem Galopp auch begegnen sollten.
Das schöne Bild fiel mir ein, in welchem der gute l’Etoile den König einem Schlachtroß verglichen hatte, dessen kriegerische Kühnheit sich in langer Ruhe verloren hätte, und ich fand, daß meine lange Ruhezeit in Chêne Rogneux mich keineswegs geschwächt hatte, im Gegenteil: Gerade die Gefahr, in der ich mich befand, die Vorsichtsmaßregeln, die Finten und Taktiken, um den Klauen der Staatsfeinde zu entwischen, die neuerliche Verkleidung, der Unterschlupf bei meiner kleinen Feuerfliege, die Gefahren, die er barg (köstliche freilich), mein Kommen und Gehen, mein Hin und Her, mein Lauern und Warten, meine Fallen, um Fallen zu meiden, kurz, alles, was in naher Zukunft mich der eingefahrenen Spur einer insgesamt allzu geordneten und sicheren Existenz entriß, versetzte mich in eine solche Erregung, daß ich – in den Fängen des Todes – eine Lebenslust verspürte, wie meine Alltage sie mir nie gespendet hatten.
Es dunkelte schon, aber Miroul war noch nicht zurück, und die Sorge scheuchte mich vom Lager auf, da hörte ich Klopfen an meinem Tor, und wenig später meldete mir Florine, ein Mann, der sich Franz nenne, wolle mich dringend sprechen. Ich wühlte in meinem Gedächtnis und entsann mich des großen, lothringischen Lakaien der Dame Hinkefuß, dem ich einen Ecu gegeben hatte, um ihn über die Prügel zu trösten, die er vom Majordomus seiner Herrin erhalten hatte. Und obwohl ich annahm, |391| daß der Bursche mir nichts Böses wolle, steckte ich mir rücklings einen Dolch in den Gürtel und lud meine Pistole, ehe ich durchs Guckloch spähen ging und dem Mann, da ich ihn erkannte, die Tür öffnete. Er händigte mir ein Billett aus, welches ich sofort las, während er still auf Antwort wartete.
Mein Herr Cousin,
meine Cousine wünscht Euch heute abend um Punkt zehn Uhr in ihrem Hause zu sehen, und Ihr wißt, daß sie zu jenen Personen gehört, die man nicht enttäuscht. Ich rechne also mit Eurer Zustimmung, die Ihr dem Überbringer dieses Billetts mitteilen wollt.
In Erwartung Eures Besuchs, mein Herr Cousin, verbleibe ich als Eure ergebene und unterwürfige Dienerin,
Jeanne de La Vasselière.
Nach dem Lesen verharrte ich erst einmal sprachlos vor Staunen, daß die Montpensier schon von meiner Rückkehr wußte. Und ob dieses Umstands mißtrauisch, fühlte ich mich wenig verlockt, mich
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