Noch immer schwelt die Glut
hob, sein Kreuz sich straffte und er, wenn nicht die Jugendblüte, so doch die Frische seiner Mannesjahre zurückgewann.
»Ha, mein Sohn!« sagte er, indem er mir die Hand reichte, »es ist Fortunas Lächeln, dich nach so langer Abwesenheit wieder an diesem Hof zu sehen. Aber«, fuhr er, meine Tracht beäugend, fort, »laß dich ansehen, mein Siorac!«
»Sire«, sagte ich, ins Knie fallend, »beliebe Eure Majestät sich zu erinnern, daß hier kein Siorac ist, der nämlich hat sich vor den Mordanschlägen der Ligisten aus dem Staube gemacht, und daß Ihr den Putzmachermeister Baragran vor Euch seht. Und was diesen einäugigen Gehilfen angeht, der soeben seine Kiepe zu Boden setzt, so ist er mein Sekretär Miroul, der treueste Diener dieses Reiches.«
»Wie der Herr, so der Knecht«, sagte der König, indem er in seiner großen Güte und Herablassung Miroul ein kleines Handzeichen sandte, der vor Glück rot anlief. »Baragran«, fuhr er fort, »was für Märchen hat Mosca dir erzählt, rosa oder schwarz?«
|398| »Schwarze, Sire, von der schwärzesten Tinte. Vorgestern war der große Eber inkognito in Paris, und um ihn sammelten sich die dicksten Schmeißfliegen der Liga.«
»Aderlaß«, sagte Chicot, den ewigen Tropfen an der Nase, »ich ahnte schon immer, was ich nun weiß: Du bist gewißlich ein Poet.«
»Still, Chicot«, sagte der König. »Also, Siorac«, fuhr er fort, »du sagst, daß vorgestern Mayenne in Paris war.«
»Ja, Sire. Und selbiger Mayenne nimmt das Maul sehr voll mit den großen und erhabenen Heldentaten, die er in der Guyenne an den Ketzern vollbracht hat.«
»In Wahrheit«, sagte Chicot, »hat der große Eber einen kleinen Hasen erlegt, den er zur Wolfsmeute aufbläst.«
»Ja, Gemetzel muß sein«, sagte der König, »damit man unseren Pariser Pfaffen imponiert. Wer nicht große Töne spuckt, ist bei der Liga nicht gut angesehen. Weiter, Siorac. Und du, Chicot, hältst den Schnabel!«
»Henricus«, sagte Chicot, »wozu brauchst du Aderlaß mit seinem Einäugigen, wenn ich von A bis Z weiß, was der große Eber und die Ligisten aushecken?«
»Und was?« fragte der König.
»Sie wollen dir deine Hauptstadt nehmen.«
»Und darüber wollen wir Einzelheiten und Umstände wissen«, sagte der König.
»Daran mangelt es nicht, Sire«, sagte ich. »Hier die Geschichte, wie Mosca sie erzählte, der den blutrünstigen Beratungen zwischen der Liga und Mayenne beiwohnte. Um die Bastille zu nehmen, klopfen hundert bis hundertzwanzig Ligisten ans Tor, und wird ihnen nicht aufgetan, schneidet ein zu ihnen gehöriger Bogenschütze dem wachhabenden Chevalier die Kehle durch und öffnet. Sollte der Chevalier sich täuschen lassen und selbst öffnen, wird er erledigt, ebenso alle seine Leute, die als ›Politiker‹ bekannt sind. Zur gleichen Zeit stellen sich andere Abteilungen der Liga beim Ersten Gerichtspräsidenten, beim Kanzler, beim Generalprokurator und anderen hohen Offizieren des Königs ein und lassen sie über die Klinge springen, für welche Heldentat sie sich durch Plünderung ihrer Häuser belohnen. Im Arsenal hat die Liga einen Gießer, der mit ihnen im Einverständnis ist, und mehrere andere Helfer, die, sobald ans Tor geklopft wird, den Profoß erschlagen. Das Châtelet |399| wird durch Kommissare und Sergeanten, die der Liga angehören, überrumpelt, indem sie vorgeben, zur Nacht Gefangene zu bringen. Was den Gerichtspalast, den Temple und das Stadthaus anbelangt, hält es die Liga nicht für nötig, sie zu erobern, weil man am Morgen bei Öffnung der Tore eindringen und sie besetzen kann. Was hingegen den Louvre betrifft …«
»Den Louvre, soso!« sagte der König, ein kleines Blitzen in den Augen.
»Die Liga will ihn nehmen, um Eure Majestät zu ergreifen, Euren Rat zu töten und alle königstreuen Offiziere durch eigene Leute zu ersetzen, wobei man Eure Person schonen will, sofern Ihr Euch in nichts mehr einmischt.«
»Sind sie nicht engelgleich?« sagte der König.
»Und mit welchen Mitteln?« fragte Du Halde.
»Sobald die Liga Bastille, Arsenal, Châtelet, Temple, Gerichtspalast und Stadthaus erobert hat, sollen ihre Abgesandten in Straßen und Gassen ausschreien: ›Es lebe die Messe! Die Stadt ist genommen!‹ und damit alle guten Katholiken zu den Waffen rufen und zum Louvre führen, wo alle Ausgänge blockiert werden. Und dann sollen die königlichen Garden ausgehungert werden.«
»Aber jeder weiß doch«, sagte Heinrich nach kurzem, »daß ein solcher Aufruf ans
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