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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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niedere Volk Tausende von Elenden aus ihren Löchern locken wird, die dann in allen Stadtvierteln morden und plündern.«
    »Sire«, sagte ich, »den Ruin und die totale Wirrnis, die den Einwohnern und Bürgern der guten Stadt daraus entspringen, haben auch unsere Ligisten bedacht. Und sie haben ein Mittel gegen diese Gefahr ersonnen.«
    »Und welches?« fragte der König.
    »Barrikaden.«
    »Barrikaden?« fragte der König und machte große Augen. »Was verstehen sie unter ›Barrikaden‹? Du Halde, hast du das Wort schon gehört?«
    »Nein, Sire«, sagte Du Halde.
    »Mit Barrikaden«, sagte ich, »sind Sperren gemeint, die aus Barrique-Fässern bestehen. Sie werden mit Erde gefüllt und in jedem Viertel quer über die Straßen gestellt, die Zwischenräume füllt man mit Haufen ausgebrochener Pflastersteine. Und durch diese Absperrung gelangen nur jene, die eine von |400| der Liga ausgegebene Marke vorzeigen können. Auf diese Weise hindert man einerseits die Schnäpper und Mörder, sich über die Stadt zu verbreiten, und andererseits die Edelleute und Politiker, dem König im Louvre aus den verschiedenen Stadtvierteln zu Hilfe zu eilen, indem man diesen treuen Dienern als der Ketzerei Verdächtigen die Kehle durchschneidet, sowie sie erscheinen.«
    »Donnerschlag!« sagte Chicot, »wie doch im heutigen Paris nur mehr nach Blut und Mord gelechzt wird!«
    »Aha«, sagte der König, die Hand unterm Kinn, und blickte aus seinen schönen schwarzen Augen versonnen ins Leere, »das also sind Barrikaden.
È ben trovato.
1 Denn es versteht sich von selbst, daß zwei Dutzend Kerle, die mit Arkebusen im Anschlag hinter diesen Barrikaden liegen, zwei bis drei Kompanien erprobter Garden aufhalten können, vor allem wenn die angrenzenden Häuser in den Händen ihrer Parteigänger sind.«
    Diese Überlegung frappierte mich bereits, als ich sie vernahm – erst recht aber, als die folgenden Ereignisse deren Klarsicht bewiesen. Und ich erkannte den kriegerischen Prinzen von Jarnac und Montcontour wieder, der »auf langem Lotterbett« wohl doch nicht so erschlafft war, wie l’Etoile gemeint hatte, daß er die Mißlichkeiten und Vorteile einer Situation als Soldat nicht mehr einzuschätzen vermochte.
    »È ben trovato«
, sagte der König aufs neue und nickte dazu,
» bene, bene, bene:
eine Barrikade aus Barriques! Was gibt es Einfacheres? Man muß nur darauf kommen, mein Siorac. Und nicht einmal teuer: Fässer, Erde, Pflastersteine, und die königlichen Regimenter müssen halten! Unsere guten Ligisten sind gar nicht so dumm, wie ich dachte, Du Halde. Ja, Haß macht erfinderisch!«
    »Aber, Sire«, sagte Du Halde, dessen langes, strenges Gesicht seine tiefe Sorge verriet, »wenn es so zugeht, kann ein Fürst seine aufrührerische Stadt doch niemals zu Ordnung und Gehorsam zurückbringen!«
    »Doch«, sagte der König. »Durch längerwirkende und sanftere Mittel als Straßenkämpfe, die auf beiden Seiten immer viele Menschenleben kosten und Blut in Strömen vergießen, mit ungewissem Ausgang. Nehmt zum Beweis nur, was unsere |401| guten Ligisten den ›glücklichen Sankt-Severins-Tag‹ nennen, als zwei, drei verkommene Pfaffen und drei Dutzend kleine Leute meine Garden mattsetzten. Zum Sieg, Du Halde, hätte ich Kanonen einsetzen und das ganze Viertel massakrieren müssen.«
    »Aber, Sire«, sagte Du Halde, »wenn es letzten Endes dahin käme …«
    »Nein, nein, Du Halde!« sagte der König entschlossen. »Niemals darf ein König sich in die Lage bringen, Jagd auf seine Untertanen zu machen! Das ist wider die Natur und ebenso sinnlos wie unmenschlich! Diese Lehre habe ich aus der Bartholomäusnacht gezogen.«
    Mit diesen noblen Worten bezeugte der König eine Hochherzigkeit, die seinem eigenen Ruhm von Jarnac und Montcontour widersprach, und ich war so bewegt und begeistert, daß ich ins Knie fiel, um seine Hand zu küssen.
    »I, was!« sagte der König mit einem Lächeln gütigen Unwillens. »Du freust dich wohl, Siorac, daß ich die Bartholomäusnacht schmähe? Bist du kein guter Katholik?«
    »Sire«, sagte ich, »wenn guter Katholik sein heißt, ein Ligist voller Haß und Aufruhr zu sein, dann bin ich es nicht. Aber wenn der ein guter Katholik ist, der die Messe hört und seinem König dient, dann, Sire, mögt Ihr mich zu dieser Kirche rechnen.«
    »Gut gesprochen, Siorac«, sagte der König, indem er mit seinen schönen Händen auf die Armlehnen klopfte. »Meine Kirche ist die der guten und rechtschaffenen Leute, die nicht

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