Noch immer schwelt die Glut
Machina vom Himmel herab: der Herzog von Guise.
Herrlich anzuschauen im weißen Wams, so makellos wie seine unbefleckte Seele und so lauter wie seine Absichten, das Haupt von einem großen weißen Federhut gekrönt, keine andere Waffe in Händen als eine friedliche Reitgerte mit Silbergriff, während zwei hübsche Pagen, blond wie Cherubim, der eine sein Schwert, der andere seinen Rundschild trugen, auf daß
urbi et orbi
jedermann wisse, daß in diesem Erzengel des Friedens ein heiliger Georg stecke, welcher zu den Einwohnern und Bürgern von Paris sprach und sie höchlich lobte, daß sie durch ihre Tapferkeit den Sturm von ihrer guten Stadt abgewendet und ihre uralten Privilegien verteidigt hätten; daß er, fügte er scheinheilig hinzu, den ganzen Tag in seinem Hause verbracht und sich in nichts eingemischt habe, daß er von dem Aufruhr nur wisse, was ihm berichtet worden sei, und daß er jetzt auf ausdrückliches Verlangen des Königs herauskomme, der ihn gebeten und angefleht habe, seine Truppen heil zum Louvre zurückzuführen, was er mit Erlaubnis der Kommune nun tun wolle im Namen des göttlichen Erbarmens, in welchem ihn auf ewig zu erhalten er Gott den Herrn sowie die Heilige Kirche bitte.
Und in allen Straßen und Vierteln, wo der Herzog von Guise erschien, um die Schweizer zu erlösen, war nichts wie Jubel und Jauchzen, Huldigung und Halleluja, Niederknien, Stiefelküssen und Rosenkränzereiben an dem weißen Gewand. Und so dummgläubig war dieses Pariser Volk, so betölpelt von seiner großen Liebe zu Guise und so betört allein vom Klang seiner Stimme, daß es alle Lügen der Welt aus seinem Munde schluckte, einschließlich jener, daß er nichts zu tun habe mit dem Aufruhr, den seine Leutnants doch vor aller Augen seit dem 9. Mai vorbereiteten. Das Getöse war ohrenbetäubend, denn Tausende Stimmen, vom Pflaster bis zu den Dächern hinauf, schrien: »Es lebe Guise!« Einige sogar: »Fackeln wir nicht länger, geleiten wir Monsieur nach Reims!« Was bedeutete, daß man den neuen König von Frankreich sogleich krönen |439| solle, weil Volkes Stimme es so wollte. Worauf Guise, der Gleisner, sich seinen großen Hut in die Augen drückte (wer weiß, ob er darunter nicht lachte) und beide Hände abwehrend von sich streckte.
»Genug, meine Freunde!« sagte er bescheiden, »meine Herren, das ist zuviel! Ruft nicht: ›Es lebe Guise!‹, ruft: ›Es lebe der König!‹«
Worauf die Hochrufe auf Guise, wie man sich denken kann, noch einmal so stark erschallten, brausender noch als die Glocken der Hauptstadt, die alle zugleich fröhlich zu läuten begannen, um dem Höchsten im Himmel vom Sieg der Heiligen Liga über den König zu künden.
»Meine Herren!« wiederholte der Herzog von Guise, da er in seinem unbefleckten Wams durch die Straßen zog und des unerhörten Vergnügens, daß niemand ihm gehorchte, nicht satt werden konnte: »Ruft nicht: ›Es lebe Guise!‹, ruft: ›Es lebe der König!‹«
Ach, armer König! dachte ich. Welch ein Unheilstag! Welch gewaltiger Verlust, und zuallererst des Friedens! Denn wem sprang es nicht in die Augen, daß der, welcher Herr der Hauptstadt war, weit mehr besaß als das halbe Reich? Guise, der König von Paris, würde das Land hispanisieren, den legitimen König auf ein Nichts herabdrücken, ihm einen Ausrottungskrieg gegen die Hugenotten aufzwingen, und in dessen Schlepptau die Inquisition!
»Moussu«, sagte Miroul, mich am Ärmel zupfend, leise auf okzitanisch, »setzt bitte eine freudigere Miene auf. Ihr werdet von einer Dame aus Guises Gefolge äußerst neugierig beobachtet, ihre Augen hinter der Maske lassen nicht von Euch ab, und ihre Erscheinung erinnert mich stark an Marianne.«
Hiermit begann Miroul die Arme zu schwenken und sich den Hals auszurenken, indem er lauter als unsere Nachbarn schrie: »Hoch Guise! Hoch Guise!« Der Unglücksrabe! Denn bei seinem Gezappel rutschte ihm die schwarze Klappe vom blauen Auge, und so rasch er sie wieder zurechtrückte, war doch das Übel schon geschehen: Die spähende Dame hatte ihn sichtlich erkannt, denn sie winkte einen langen Kerl heran, der kein anderer war als der Majordomus der Montpensier.
»Komm schnell weg hier, Miroul!« sagte ich leise, »man will uns in Stücke hauen.«
|440| Zum Unglück hieß aber von dort wegkommen, unserer Wohnung und Zuflucht, welche im Viertel La Ville lag, den Rücken kehren, denn es war unmöglich, durch den riesigen Menschenzug, der Guise begleitete, hindurchzukommen, uns blieb
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