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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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Ihr als Fremder zum König?«
    »Zur Königin, Monsieur«, sagte er mit heller Stimme, »zu Elisabetha Regina. Wir sind am Ziel. Es ist diese Bäckerei, die wie durch ein Wunder noch offen hat. Folgt mir.«
    Der junge Edelmann wies dem Bäckergesellen eine Marke vor, und dieser ließ uns durch eine verborgene Tür von seiner Backstube in einen eleganten kleinen Salon eintreten, der durch Kerzen erhellt wurde, und mir begann zu schwanen, daß wir durch einen geheimen Zugang in die englische Gesandtschaft gelangt waren.
    »Sir«, sagte ich, »wie könnte ich Euch jemals vergelten, daß ich dank Eurer Hilfe noch am Leben bin?«
    »Vergelten?« sagte der Edelmann mit einem kleinen Lachen und einem singenden Akzent, der mich ganz reizend dünkte. »Gewiß könnt Ihr das.«
    »Und wie?«
    »Durch einen Kuß.«
    »Durch einen Kuß?« fragte ich verdattert.
    »Auf den Mund.«
    Verblüfft sah ich auf seinen Mund, der mir wirklich nicht ganz unbekannt schien, und erprobte ihn zuerst mit tastenden Lippen, dann aber mit Ungestüm.
    »Na nun?« sagte der Edelmann, indem er von mir Abstand nahm. »Seid Ihr schwul, Chevalier?«
    »Ah, Mylady Markby«, sagte ich, »ist es schwul, Euren üppigen Mund zu lieben?«
    »Ha!« sagte sie lachend und nahm ihre Halbmaske ab: »Ihr müßt ein echter Franzose sein, daß Ihr mich daran erkannt habt! Aber, Chevalier«, fuhr sie fort, »mögt Ihr auch noch so galant scherzen, sehe ich doch an Euren Augen, wie bekümmert und müde Ihr seid. Wartet hier ein wenig. Ich gehe, Lord Stafford zu bitten, daß man Euch ein Zimmer bereitet.«
    |443| Sowie Lady Markby fort war, warf ich mich in einen Lehnsessel und ergab mich, die Augen halb geschlossen, meinen verzweifelten Gedanken. Miroul sah es und ließ sich neben mir auf einem Schemel nieder.
    »Moussu«, sagte er, »noch ist nicht alles verloren: Der König hat seine Schweizer, seine Garden und seinen Louvre.«
    »Ach, mein Miroul!« sagte ich, »eine Stadt ist wie ein Weib: Sie läßt sich nicht lange wider Willen besitzen. Paris ist fortan nur für Guise eine gute Stadt. Sie hat sich ihm geschenkt. Und er ist ihr Prinz.«
    »Aber, Moussu, es bleibt das Reich!«
    »Was ist ein enthauptetes Reich? Kann Heinrich noch König von Frankreich sein, wenn Guise der König von Paris ist?«

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    |444| VIERZEHNTES KAPITEL
    Die Sorge, daß mein armer Herr binnen kurzem im Louvre belagert werden könnte, sollte Guise dem Volk arglistig die Zügel schießen lassen, raubte mir den Schlaf, bis das erste Morgenlicht durch die Fensterläden brach. Und so hätte ich in dem fremden Zimmer womöglich bis zum Abend geschlafen, wäre nicht Lady Markby mit energischem Schritt hereingetreten, einen Barbier im Gefolge und eine Kammerfrau mit einem glänzenden Anzug überm Arm.
    »Bei Gottes Wunden!« sagte sie, fluchend wie Königin Elisabeth, »schickt es sich für eine Lerche, stumm im Nest zu hocken, anstatt den Tag mit Jubilieren zu begrüßen? Es wird Zeit, mein lieber Pierre, daß Ihr auf die Beine kommt. Mylord Stafford will Euch in einer Stunde sehen, um Euch die neuesten Nachrichten mitzuteilen.«
    »Gute oder schlechte?« rief ich, und das Herz pochte mir gegen die Rippen.
    »Gute wie schlechte. Um es mit einem Wort zu sagen: Heinrich ist heil und gesund, aber nicht mehr in Paris.«
    »Gott sei Dank!«
    »Wartet mit Eurem Dank. Wenn die Unbesiegliche Armada unsere Flotte in den Grund rammt, gehen Elisabeth und Heinrich gemeinsam unter. Doch davon genug. Mein lieber Freund, Ihr könnt in Eurem jetzigen Aufzug nicht vor Lord Stafford erscheinen, er hält dermaßen auf Etikette, daß er sich selber nicht ohne Wams und Krause im Spiegel sehen mag. Der Barbier wird Euch erst einmal den Kaufmannsbart scheren und die glatten Bürgerhaare locken. Außerdem habe ich von einem unserer jungen Herren einen Anzug ausgeliehen, der Eurem Rang besser ansteht als Eure dunklen Sachen. Und ich habe Alizon durch einen Boten melden lassen, daß Ihr heil und gesund seid. Bin ich nicht ein Engel?«
    »Ebenso gut wie schön.«
    |445| »Das ›schön‹ ist wieder so ein Auswuchs Eurer güldenen Sprache. Mein Pierre, in einer Stunde hole ich Euch ab.«
    Und lachend entblößte sie ihre kraftvollen Zähne und ging, geschmeidig und hurtig wie ein Panther in Gefahr. Wahrscheinlich bot Gefahr ihrer starken Seele jene Nahrung, ohne die sie nicht hätte leben können, so daß es kein Wunder war, wenn Haus und Mann in Shropshire sie selten zu Gesicht bekamen, für ruhige, häusliche

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