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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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nur der Ausweg, dessen Ende zu suchen, was bedeutete, wieder über die Notre-Dame-Brücke nach der Cité zu gelangen, wo ich indes kein Freundeshaus kannte. Zuerst wahrten wir Schrittempo, in der Hoffnung, im Gedränge unterzutauchen, doch als es sich lichtete und wir sahen, daß uns zehn Spadaccini an den Fersen hingen und der Abstand zwischen ihnen und uns sich verringerte, nahmen wir die Beine in die Hand.
    »Miroul«, sagte ich, »spielen wir die Fabel des Horaz: An der nächsten Straßenecke ziehen wir die Pistolen und erledigen die beiden ersten. An der übernächsten Ecke machen wir das gleiche. Zwei gegen sechs klingt besser als zwei gegen zehn.«
    »Moussu«, sagte Miroul, »ich kenne Horaz nicht, aber schlau war er.«
    Wir taten also, wie ich gesagt, was aber nicht nur die Wirkung hatte, daß wir die Anzahl unserer Feinde verminderten (der Herr vergebe mir diese Sünden zur Verteidigung unserer Haut), sondern auch, daß die übrigen langsamer wurden, wollte doch nach dem, was zweimal den flinksten Gefährten geschehen war, keiner mehr schneller sein als die anderen. Nachdem wir aus den engen, gewundenen Gassen aber auf die Notre-Dame-Brücke kamen, die zum Unglück gerade ist wie ein Zimmermannslineal, stellten sich die Schufte, daß sie die ganze Breite besagter Brücke von einer Häuserseite zur anderen sperrten (die Pariser Brücken waren, wie schon gesagt, von Häusern gesäumt), und wir stürzten uns auf sie wie geflügelte Dämonen, Miroul hatte gerade noch Zeit, einen weiteren mit einem Messerwurf niederzustrecken. Dann hieß es blankziehen, und schon zeigte sich an der Art, wie ihre Klingen die unseren kreuzten, in welch großer Gefahr wir steckten, denn diese Leute verstanden ihre Kunst.
    »Eure Finte, Moussu!« schrie Miroul auf okzitanisch und meinte die Jarnac-Finte, welche Giacomi mich gelehrt hatte, die ich bis zu diesem Tag jedoch nie angewandt hatte, weil ich dem Meister hatte schwören müssen, sie nur in äußerster Not |441| zu gebrauchen. Im Begriff, sie gegen denjenigen der drei Angreifer auszuführen, der mich der furchtbarste dünkte, nachdem ich einen anderen schon am Arm verwundet hatte, sah ich auf der bis dahin leeren Brücke plötzlich einen jungen Maskierten auftauchen.
    »Fünf gegen zwei!« rief er mit sanfter, singender Stimme, »das leide ich nicht!«
    Und blankziehend, sprang er mir zur Seite. Was mich um einen Spadaccino entlastete, und da der am Arm Verwundete sich aus dem Kampf zurückzog, schöpfte ich trotz des Könnens meines verbliebenen Gegners wieder Hoffnung, dessen Klinge ich nun so heimtückisch kitzelte, daß er jäh zwei Schritt zurückfuhr, als hätte ihn eine Schlange gebissen. Inzwischen gewahrte ich mit raschem Blick auf den jungen Edelmann neben mir dessen bartlose Wangen, seine lebhaften Augen hinter der Maske und die Feinheit seiner Hand.
    »Monsieur, ich danke Euch«, sagte ich.
    Worauf er wortlos lächelte, und da ich meinen Spadaccino weiter zurückweichen sah, trat ich diesem näher.
    »Nun, Bursche, was ist?« sagte ich. »So hurtig gehst du wohl nicht mehr ran!«
    »Monsieur, entschuldigt mich«, sagte er, indem er aus dem Abstand mit seinem Degen grüßte, »aber Ihr scheint nach der Art, wie Ihr meine Klinge bandet, irgendeine Geheimfinte zu beherrschen.«
    »Schelm!« sagte ich, »wäre sie geheim, wenn ich mich ihrer rühmte? Komm nur! Hol dir den Beweis!«
    »Monsieur«, sagte er, indem er wiederum grüßte und seinen Degen friedlich in die Scheide steckte, »mein Stand ist Töten, nicht Getötetwerden. Gegen Euch ziehe ich nicht mehr, das schwöre ich bei der gebenedeiten Jungfrau.«
    Da Miroul einen der Angreifer inzwischen verwundet und der bartlose junge Edelmann seinen Gegner aufs Pflaster gestreckt hatte, mochte der einzige Übriggebliebene nicht ausharren, bis ihn einer unserer drei Degen in eine bessere Welt beförderte, und gab Fersengeld.
    »Meine Herren«, sagte der Edelmann mit seinem singenden Akzent, »ich weiß einen Steinwurf weit eine Zuflucht. Eilen wir hin. Wer in der jetzigen Lage zum König steht, ist nicht gut dran.«
    |442| Wir liefen los, wobei ich ihn immer wieder von der Seite musterte, verwundert, daß er ziemlich linkisch lief, nachdem er doch sehr geschickt gefochten hatte, und daß er mich immer wieder auf liebenswürdige und ein wenig spöttische Weise anlächelte unter seinem großen Hut.
    »Miroul«, rief ich im Laufen, »wo sind wir?«
    »Quai des Bernardins, Moussu.«
    »Monsieur«, sagte ich, »wieso steht

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