Noch immer schwelt die Glut
ihnen sandte, und schnappten den Soldaten Brot und Wein vor der Nase weg, während diese fast umkamen vor Hitze, Hunger und Durst, bewegungslos eingepfercht in dieser Stadt unter Waffen, die aus Tausenden von Kehlen schrie und grölte und die ihnen mit grauenhaften Flüchen ihr nahes Ende ankündigte.
Und wahrlich, das begann auch ich zu fürchten, als ich so viele Bürger sah, die ich nicht als Ligisten kannte, entschlossen, das Privileg von Paris zu verteidigen und die Truppen des Königs aus der Stadt zu verjagen. Die anfangs ligistische Revolte schien sich angesichts dieses Affronts zu einer allgemeinen auszuwachsen. Mit diesen meinen Augen sah ich an jenem Donnerstag, dem 12. Mai, ein ganzes Volk zu den Waffen eilen, der Handwerker ließ sein Werkzeug sein, der Händler seinen Handel, der Scholar seine Bücher, der Steuereintreiber seinen Sack, der Advokat sein Barett, sogar würdige Räte warfen ihre Roben ab und griffen zur Pike, so stark und heftig brodelte der Zorn gegen die Kränkung, die ihrer Stadt angetan worden war.
Vom Saints-Innocents-Kirchhof zog ich zur Place de Grève, wo andere Schweizer und französische Garden stationiert waren. Auch diese sah ich rings von den Barrikaden der umliegenden Gassen eingeschlossen, doch in noch schlimmerer Lage als ihre Kameraden, denn die Bewohner des Saint-Antoine-Viertels, die sie umzingelten, hatten einen Zug mit Pulver, den der Louvre schickte, angehalten und es an die Arkebusiere des Volkes ausgeteilt.
Das betrüblichste Schauspiel aber, wenigstens für einen treuen Diener des Königs, erwartete mich auf der Île de la Cité, die ich über die Notre-Dame-Brücke erreichte. Die Schweizer dort waren vom Volk so hart in die Zange genommen worden, daß sie sich auf dem Marché Neuf zusammendrängten, denn die |435| Kompanien, die auf den Petit-Pont und den Pont Saint-Michel vorgedrungen waren, hatten unterm Steinhagel der Büttel und Scholaren der Universität, angeführt vom Grafen von Brissac, zurückweichen müssen. Und Feldmeister Crillon, der jene Kompanien befehligte, derselbe, der sich am 9. Mai den Hut in die Stirn gedrückt hatte, anstatt Guise zu grüßen, war fast geplatzt vor Wut, daß er vom König Befehl hatte, nicht zu schießen.
Das Seltsame an der Sache war, daß Barrikadisten und Soldaten, Schweizer sowohl wie französische Garden, einander nun auf Sicht- und Hörweite gegenüberstanden. Und da noch nicht geschossen wurde, flogen zwischen den ligistischen Anführern und den königlichen Offizieren frotzelnde Reden hin und her, ganz nach Pariser Art. War es schon ein Jammer, die Männer beider Lager im Begriff zu sehen, sich wegen der reformierten Religion gegenseitig zu töten, obwohl beide Lager derselben papistischen Religion angehörten, so wurde es geradezu ein Verhängnis, daß mit diesem 12. Mai eine Spaltung der Katholiken in königliche und guisardische begann, die auf das ganze Reich übergriff. Fortan ging ein Riß durch die Hauptstadt, den Hof, die großen staatlichen Körperschaften, die Provinzen, ja die ganze Nation, durch jede Stadt, jedes Viertel, jede Straße, jede Familie und oft durch den Kopf des einzelnen.
So kam es, daß ich bei den Königlichen François von O erblickte und bei den Ligisten seinen Bruder, den Marquis von O, und unter den Offizieren den Feldmeister Cossein und jenseits der Barrikade einen seiner besten Freunde, einen Gerichtsrat, der ihn laut beim Namen rief und spöttelnd fragte, ob er sich dort wohlbefände, wo er sei.
»Allzuwohl nicht«, rief Cossein, nicht um eine scherzende Antwort verlegen, »aber daran ist der Vogt der Kaufleute schuld!«
»Wieso der?«
»Weil er dem König die Unterstützung von dreißigtausend Pariser Einwohnern versprochen hat. Aber, wie sich zeigt, hat er nicht Wort gehalten. Denn ich sehe hier dreißig für den König und tausend für Herrn von Guise.«
Ob dies nun reinen Herzens oder absichtsvoll gesprochen war, jedenfalls schmeichelte es den guten Barrikadisten, und weil sie über den Scherz lachen mußten, besserte er ihre Stimmung hinsichtlich der Soldaten, die immerhin ja noch niemanden getötet |436| hatten, mochte der eine oder andere auch hart durch Steine getroffen worden sein.
»Warum zieht ihr nicht ab?« rief ein ligistischer Anführer, der vielleicht kein so blindwütiger Eiferer war wie die anderen und es ebenso haarsträubend fand wie ich, daß Katholiken sich gegenseitig ausrotten wollten wegen der Ausrottung der Hugenotten, von denen aber gar keine zu
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