Noch immer schwelt die Glut
war, daß die an der kleineren Seite des Rechtecks liegenden Fenster, wenn auch an sich groß genug, nicht ausreichten, den Saal zu erhellen, so daß auf den Leuchterkränzen, die inmitten der Arkaden zwischen den Säulen hingen, zahllose Kerzen brennen mußten, die aber ein eher mildes Licht verbreiteten, verglichen mit dem starken Flammenschein, der den violetten Baldachin durchstrahlte.
In seiner Eigenschaft nicht als Generalleutnant, sondern als Großmeister des Königshauses saß der Herzog von Guise unterhalb der Estrade, Kopf und Oberkörper halb den drei Ständen, die dem König gegenübersaßen, und halb in scheinbarem Respekt dem König zugewandt, eine ebenso ehrgeizige wie symbolische Position, weil er von der einen Seite – und damit vom Volk, das jene repräsentierten – einen Teil seiner Kraft bezog und von der anderen einen Teil seiner Schwäche, konnte er doch unterderhand gegen den Souverän rebellieren, aber nicht seine Legitimität in Zweifel ziehen. Er war, sicherlich nicht zufällig, in dasselbe weiße Seidenwams gekleidet, das er am Tag der Barrikaden trug. Da dieses Wams aber für die Jahreszeit zu leicht war, schien der schöne Erzengel ein wenig unter der Kälte zu leiden, die außerhalb der Estrade in der großen Halle herrschte, obwohl er sich einen großen Mantel um die athletischen Schultern geworfen hatte. Sein auf skulptierten Füßen ruhender Sitz war mit einem Kissen aus violettem Samt belegt, doch hatte er keine Lehne, was dem Herzog die edle Haltung, die er an den Tag legte, auf die Dauer erschweren mochte.
Die arme, von der Gicht geplagte Königinmutter hatte sich aus ihrem Bett auf den Thronsessel zur Rechten des Königs geschleppt, ein Platz, der eigentlich der Königin Louise gebührte, den sie aber um nichts in der Welt geräumt hätte, so steckte ihr die Macht noch in allen Fibern des verdorrten Herzens. Ihr bleiches, gedunsenes und ziemlich gewöhnliches Gesicht war |474| voller Ängste, als der König sich zu seiner Rede erhob, denn er hatte sie allein verfaßt, ohne ihr eine Kopie vorzulegen, was die großartige Hommage an sie nicht wettmachte, mit welcher er besagte Rede begann, indem er sie als »Mutter des Staates und des Reiches« bezeichnete, das gegenwärtig allerdings ebenso entschlossen schien wie der König, ohne sie auszukommen.
Groß und majestätisch, die gedruckten Blätter seiner Rede in den behandschuhten Händen, umstrahlt von der violetten Aureole, die von den hohen Flammen des gewaltigen Kamins ausging, sprach er anfangs zögernd und gedämpft, bevor seine Stimme auf einmal sozusagen den Gleichklang mit seinen Worten aufnahm und selbst Stärke und Entschlossenheit bekundete.
Schöne Leserin, die Sie diese Zeilen vielleicht in einem behaglichen Sessel lesen, die zierlichen Füße zum Feuer hin gestreckt oder – wie ich Sie mir gern vorstelle – anmutig auf ein Lager im Kerzenschein hingegossen, darf ich Sie mit aller Inständigkeit bitten, jetzt nicht die zierlichen Hofdämchen nachzuahmen, die dem Ereignis von den Galerien zuschauten, ihren eigenen Geist jedoch so gering achteten, daß sie schimpflich meinten: lange Haare, kurzer Sinn, und sich darum nicht gehalten wähnten, die Feinheiten der politischen Dinge zu verstehen, obwohl auch ihr Schicksal und persönliches Glück an das des Königs geknüpft waren und von ihm abhingen. Vielmehr bitte ich Sie, Ihr weibliches Mitgefühl meinem geliebten Herrn zuzuwenden und sich diesen so menschlichen König vorzustellen, der in erster Linie und sogar auf Gefahr seines Lebens sein Volk vor einem blutigen Bürgerkrieg und Teile seiner Untertanen vor der Ausrottung bewahren wollte, und der hier der vereinten Front einer zahlreichen fanatischen Geistlichkeit, mächtiger und ehrgeiziger Fürsten, eines Großteils des Adels und eines verdummten Volkes gegenübertrat. Denn in dieser Halle des Schlosses zu Blois, deren beide Zwillingsschiffe wie schon umgestürzt und gesunken erschienen im Schiffbruch des Staates, gab es unter den fünfhundert Deputierten keine hundert, die sich der weisen und friedlichen Politik des Königs anschlossen. Dritter Stand, Adel und Geistlichkeit, alle hechelten – im Namen des Gottes der Vergebung und der Liebe – nur nach Blut, schrien nach Mord, sannen auf nichts wie Gemetzel, verachteten den König und seine lange |475| Geduld und gierten nur, sich dem Joch Guises und des Spaniers zu unterwerfen. Nun, schöne Leserin, da steht er denn, dieser einsame, von so vielen der Seinen
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