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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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Schnarchen in der Nacht, denn beide schliefen in einem Bett neben dem von mir und Miroul, und sie dröhnten uns mit ihren Blasebälgern von Sonnenuntergang bis –aufgang die Ohren voll, und hörte einer wie durch Wunder auf, begann der andere. Ganz zu schweigen vom Montag, dem Tag der Dirnen, wenn wir um unserer Sicherheit willen auf dem Zimmer bleiben und fast den ganzen Tag ihren teuflischen Sarabanden beiwohnen mußten. Das Gewühle und vor allem das Getöse überstiegen jede Vorstellung, weil sie die armen Weiber wie zum Angriff mit vielen »Cap de Diou!« und »Mordi!« und anderen schrecklichen Flüchen stießen, ohne aber mit den Mädchen, war der Angriff vorüber, grob oder böse umzugehen. Vielmehr kosten sie sie in ihren behaarten Armen und sangen ihnen, daß die Wände wackelten, okzitanische Romanzen, die sehr schön klangen, nur daß die Ärmsten von der Loire kein Wort davon verstanden. Was ihr Äußeres anging, waren sie nicht groß, aber stämmig, keine Unze Fett am Leib, obwohl sie fraßen wie die Scheunendrescher, und sie waren in jeder Bewegung behende und gewandt. Vom Gesicht her konnte ich La Bastide von Montseris und Montseris von La Bastide kaum unterscheiden, denn beiden reichte das dichte schwarze Haar beinah bis zu den Brauen, ließ nur die großen Nasen und die pechschwarzen Augen frei, die aus dem finsteren Gestrüpp Blitze schleudern konnten. Ihr Lachen aber, wenn es aus den weißen Zähnen brach, war schlicht und einfältig wie bei Kindern.
    Der Barbier, der in aller Herrgottsfrühe erschien, vollbrachte das Kunststück, meine Haare rabenschwarz zu tünchen, an meinen Augen konnte er jedoch nichts ändern, die blieben blau, weshalb La Bastide mir riet, die Kappe tief in die Stirn zu drücken und mich in der Mitte der Truppe zu halten, was ich auch tat, bis wir im Schloß anlangten, wo mich Laugnac, der Anführer der »Fünfundvierzig«, eingehend musterte, weil er |468| mich zuerst nicht erkannte. Dann aber geleitete er mich über die kleine Treppe vom Hirschensaal zum zweiten Stock hinauf und in das Alte Kabinett, von dem eine Tür ins Gemach des Königs führte. Die zweite Tür, die von dort zum Ratssaal führte, war jedoch – und ich bitte den Leser, sich dieses Detail genau zu merken, weil es im Fortgang der Ereignisse eine wichtige Rolle spielen wird – auf Befehl des Königs sofort nach seiner Ankunft im Schloß zugemauert worden, so daß man vom Ratssaal jetzt nur noch durch das Zimmer Seiner Majestät ins Alte Kabinett gelangte.
     
    Ich fand Seine Majestät nach den vergangenen Monaten blaß und abgemagert, das Gesicht aber trotz seiner verzweifelten Lage sehr entschlossen, oder vielleicht gerade ihretwegen, so als wären alle Federn seiner Seele zu einem letzten Kampf gespannt.
    »Siorac, mein Kind«, sagte der König majestätisch und liebenswürdig wie stets, »ich freue mich, daß du gekommen bist. Gegenwärtig brauche ich alle meine Freunde, daß sie mit ihren Degen um mich zusammenstehen, denn hier wird die letzte und höchste Partie gespielt, und wenn wir sie verlieren, geht es nicht nur um Thron und Leben, sondern um die Zukunft des Reiches.«
    »Sire!« sagte ich, »Ihr wißt, ich bin ganz Euer, was immer Ihr auch befehlt und welche Gefahr mir auch droht.«
    »È meglio un buon amico che cento parenti«
, sagte Heinrich, und zwischen den Zähnen setzte er hinzu,
»o che una madre«.
1 Offenbar lag ihm sein Gespräch mit Katharina zu Chartres noch im Magen. »Sweet Siorac«, fuhr er fort, »wie meine geliebte Schwester Königin Elisabeth dich nennt, die, Gott sei es gedankt, die besiegliche Armada besiegt hat, du weißt, mir selbst bleiben hier noch einige große Galeonen zu zerstören, gefüllt mit spanischem Gold, von Eitelkeit geschwellt, gestopft mit Paternostern und, zum Unglück, von einem verdummten Volk bewundert: Die Generalstände sind so ligistisch, daß es einem die Haare zu Berge treibt. Siorac, ich konnte Lord Stafford weder in Chartres sprechen noch in Blois. Die Liga hätte mich des Einvernehmens mit dem Ketzer geziehen, |469| doch ließ er mir ein Billett zukommen, worin er sagte, du seist Zeuge seiner Begegnung mit einem gewissen Herrn gewesen, der, ›wenn er zu Wasser wie zu Lande nichts, so wenigstens auf dem Pflaster etwas taugt‹. Was war es damit, mein Sohn?«
    Und ich, verwundert, daß der König selbst in den Fängen des Todes das Vergnügen an erlesener Sprache nicht verlor, erzählte, um ihn zu ergötzen, was der Leser kennt, worauf er in

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