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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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während Larissa unbehelligt in Paris geblieben war, weil Giacomi den Schutz des Großen Ebers genoß (des Herzogs von Mayenne, meine ich), der sein Fechtschüler gewesen war. Inzwischen aber hatte sich Paris ohne den König in eine Art Bürgerrepublik unter Führung der »Sechzehn« verwandelt (die sechzehn Quartiers hatten jedes einen Vertreter zur Regierung der Stadt entsandt), und diese »Sechzehn«, ligistischer als die Liga und päpstlicher als der Papst, unterjochten das Parlament, erpreßten die Vermögenden, sperrten die »Politiker« ein, ohne groß auf Mayenne und Guise zu hören, und Giacomi, der ihren Fanatismus fürchtete, hatte Larissa brieflich geraten, sich mit den Kindern auf mein Gut bei Montfort-l’Amaury zu flüchten, wo sie zu seinem Trost nun eingetroffen war, er hatte soeben Post von ihr erhalten.
    »Der König«, fuhr er fort, »hat mir nicht gesagt, was es mit diesem Venetianelli auf sich hat, nur, daß du ihn treffen wollest und daß man dies sehr vorsichtig angehen müsse, weil er ein Guise-Mann ist. Ihn kenne ich nur vom Hörensagen, dafür um so besser seine
donna di cuori, ›la Cavaletta‹
genannt.«
    »Und das heißt?«
    »Die Heuschrecke. Die
Cavaletta
traf hier im Troß der Generalstände ein und eröffnete sofort ein feines Haus, wo die drei Stände trinken, essen, spielen und vögeln können.«
    »Hoho, Signor Maestro!« sagte ich lachend, »auch wenn ich meine, daß man sich besser im Bordell bedient, anstatt einem unschuldigen Weib die Ehre zu rauben, bin ich doch verwundert, daß Ihr solche Orte besucht.«
    »Ich spiele nur«, sagte Giacomi ein wenig beschämt, »ich bin diesem Laster ein wenig verfallen, aber mit Maßen.«
    »Und Ihr hofft, vermittels jener noblen Dame zu Venetianelli vorzudringen?«
    |472| »Nicht mühelos, eben weil die
Cavaletta
so nobel ist, oder sich dafür ausgibt. Sie kleidet sich wie eine Fürstin, legt hoheitliche Manieren an den Tag und bietet ihre Mädchen dezent als Kammerjungfern feil. Ich werde dort gerade so geduldet, sie will an ihrem Tisch nur hohe Herren, salbungsvolle Prälaten und betuchte Bürger.«
    »Und Venetianello ist der Geliebte dieser noblen Puffmutter?«
    »So hört man. Aber ich sah ihn noch nie in ihrem Haus, das übrigens bestens aufwartet mit Teppichen, Möbeln, Kristall und Silber, mit loderndem Feuer, zahlreichen Domestiken, kostspieligen Flaschen und delikaten Speisen. Das Gold strömt der
Cavaletta
nur so zu. Sie soll übrigens mit Venetianelli heimlich verheiratet sein.«
    »Schade!« sagte ich. »Wie kann ich ihn gewinnen, wenn er durch sein Weib im Gelde schwimmt?«
     
    Am Tag nach diesem Besuch meines Giacomi, am 9. Oktober, wurden in der großen Halle des Schlosses die Generalstände eröffnet, denen ich inmitten der »Fünfundvierzig« beiwohnte (niemand bemerkte, daß es an diesem Tag sechsundvierzig waren), welche die Estrade umgaben, auf der Heinrich und die beiden Königinnen saßen; die Edelleute vom Haus des Königs standen von den Leibgarden ein wenig entfernt. Diese nicht sehr hohe Estrade mit dem königlichen Baldachin stand vor einem riesigen Kamin, der die Mitte der längsten Hallenseite einnahm und in dem dicke Tannenscheite knisterten, denn dieser Oktober war sehr kalt, und das Feuer, das durch die violette, mit goldenen Lilien übersäte Bespannung des Baldachins hindurch den Rücken des Königs wärmte, umstrahlte zugleich seine dunkle, in schwarzen Samt gehüllte Gestalt mit einer Aureole – was mich vor allem beeindruckte, als er aufstand, um seine Rede zu halten, welche nicht weniger knisterte und loderte wie die Flammen hinter ihm und die Stände sowohl durch ihren Ton wie durch ihren Inhalt verblüffte, denn sie bot alles andere als die Unterwerfung, die sich diese kriegerischen Untertanen von ihrem Herrscher erwarteten.
    Die Halle war zu einem Teil Heinrichs eigenes Werk, denn zur Zeit der Grafen von Blois war sie halb so groß gewesen und hatte nur eine Decke gehabt, jenes großartige Balkenwerk in der |473| Form eines umgekehrten Schiffes, das der König zwölf Jahre zuvor, seinem instinktiven Schönheitssinn folgend, durch ein zweites Schiff hatte doppeln lassen, parallel dem ersten und ihm vollkommen gleich, und beide durch eine Säulenreihe verbunden und gestützt, die in Arkaden durch die Mitte des Raumes verliefen. So wirkten nun beide Schiffe, als lägen sie kieloben Seit an Seite, und der Saal war um die Hälfte vergrößert, ohne daß seine Harmonie irgend litt. Das einzige Ungemach

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