Noch immer schwelt die Glut
und zuallererst von seiner Mutter verratene, zu mehr als drei Vierteln besiegte und offen an den Pranger gestellte König, ohne Geld, hinter sich nur noch Truppen, die er nicht bezahlen kann, und eine letzte Handvoll treuer Städte im ganzen Reich, da steht er, bietet plötzlich dieser erbitterten Meute die Stirn und fordert sie heraus. Guter Angriff, gute Verteidigung! Schöne Leserin, ich bitte Ihr empfindsames Herz um die gleiche grenzenlose Bewunderung, die das meine vor dieser unerhörten Tapferkeit und Wehrhaftigkeit meines armen Herrn im Angesicht seiner blutdürstigen Untertanen erfüllte.
Was sagte er nun, dieser König ohne Hauptstadt? Nichts, was er nicht auch auf dem Gipfel seiner Macht gesagt hatte, ohne von den Prinzipien und Prärogativen des königlichen Amtes irgend etwas abzustreichen. Hören Sie, wie er dem Sieg der angeblich Heiligen Liga über ihn trotzte: »Jedwede Liga kann unter meiner Autorität nicht geduldet werden. Nicht Gott, nicht die Pflicht erlauben ihre Existenz, sondern stehen ihr formell entgegen, denn alle Ligen, Assoziationen, Parteiungen, Aushebungen von Männern und Geldmitteln sowie deren Empfang, sowohl innerhalb wie außerhalb des Reiches – eine Anspielung auf das spanische Gold –, sind Akte des Königs und in jeder wohlgeordneten Monarchie ohne Erlaubnis des Souveräns Verbrechen gegen die Majestät.«
Oder auch dies, das klar auf Guise und die Lothringer Prinzen abzielte: »Ich bin Euer von Gott gegebener König, und ich bin der einzige, der dies wahrhaftig und legitim sagen kann.« Und: »Einige Große meines Reiches haben Ligen und Assoziationen gegründet, doch meiner bewährten Milde gemäß lasse ich in dieser Hinsicht alles Vergangene vergessen sein. Da ich aber verpflichtet bin, so wie Ihr alle, die königliche Würde zu bewahren, erkläre ich ab heute und in Zukunft jeden meiner Untertaten des Majestätsverbrechens für überführt und schuldig, der sich diesen ohne meine Einwilligung anschließt.«
Hier nun brach im Saal helle Aufregung aus und bewegte die fünfhundert Deputierten der drei Stände, wie wenn ein Kornfeld unter einem Gewitter wogt. Guise und die Ligisten des Majestätsverbrechens anzuklagen, wenn sie nicht bereuten, |476| was hieß das anderes, als sie zum Tod zu verurteilen, denn schließlich gab es nicht den geringsten Anschein, daß sie künftig von ihren Unternehmungen abstehen würden, weil sie den König quasi in der Zange hatten. Und daß dieser abgewrackte König die unglaubliche Verwegenheit aufbrachte, ihm kraft seiner Legitimität im Beisein der Generalstände mit dem Schafott zu drohen, das erschütterte Guise. Ich sah ihn auf seinem Sitz wanken und die Farbe wechseln, schwankend zwischen Angst und Zorn, und schließlich mit den Augen seinen jüngeren Bruder, den Kardinal, befragen, der in der ersten Reihe der Geistlichen saß. Dieser aber, der trotz seiner Robe sich nicht wie sein Bruder um Mäßigung noch Mitleid scherte, dem er übrigens auch wenig ähnelte mit seinen dunklen Haaren und schwarzen Augen, die im Zorn scharfe Blitze schleuderten, ein sehr schöner Mann übrigens, wenn auch wenig engelgleich, war er doch im Privaten ein großer Hurentreiber und hetzte öffentlich zu Mord und Gewalttat – dieser aber, sage ich, zauderte nicht lange in seinem Entschluß, sondern erhob sich bleich und zähneknirschend vor Wut und verließ, majestätisch in seinem Purpur, ohne den König zu grüßen, den Saal, nach kurzer Weile vom Herzog, von Graf von Brissac und La Chapelle-Marteau gefolgt, während der König mit fester und starker Stimme und undurchdringlichem Antlitz in seiner Rede fortfuhr, als fechte es ihn nicht an, daß sein Großmeister und die Präsidenten der drei Stände den Saal verlassen hatten.
Was mich betraf, so fühlte ich mich glücklich und gestärkt durch diesen Eklat, mit dem sich der König die Meute von den Flanken abgeschüttelt hatte, dazu war ich höchst neugierig auf die politischen Wirkungen und nur betrübt, daß ich mich zwischen den »Fünfundvierzig« verstecken mußte und nicht loseilen konnte um Nachrichten.
Dürstend nach diesen, schickte ich, kaum wieder in den »Zwei Tauben«, eine Magd zur Wohnung von Quéribus mit der Bitte, er möge mich aufsuchen. Doch sie kam unverrichteterdinge zurück, der Vogel war ausgeflogen, flatterte wahrscheinlich
veni, vidi, vici
1 von einer Schönen zur nächsten. Und gezwungenermaßen wurde ich erst am Nachmittag des folgenden Tages |477| unterrichtet,
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