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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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sie seien seine Wehr und Waffen. Und sollte man ihn dergestalt beschneiden, daß er nur mehr einen Kapaun zum Essen habe, so werde er auch den mit ihnen teilen.
    Was mich anging, so kaute ich an meiner Trense, denn trotz wer weiß wie vieler Vermittlungen meines lieben Giacomi war es mir in zwei Monaten nicht gelungen, an die
Cavaletta
heranzukommen, und schon gar nicht an Venetianelli, denn die mißtrauische Dame spürte wohl, daß unsere Versuche von königlicher Seite kamen, und wiegelte alles ab, war doch ihres Liebsten Glück so eng an Guise gebunden.
    Nun hörte ich Mitte Dezember durch Giacomi, daß die
Cavaletta
magische Praktiken betreibe und zu hohem Preis verzauberte Puppen und Phiolen, wahrscheinlich mit gewissen Giften, verkaufte. Ich ließ mir von Giacomi das Fenster ihres Zimmers zeigen, lieh mir vom König fünf seiner »Fünfund vierzig « für eine kleine Expedition (darunter La Bastide und Montseris) und stieg um Mitternacht mittels Leiter und einer zerbrochenen Scheibe in besagtes Zimmer ein, das sie nach ihren vielerlei seltsamen Beschäftigungen mit einem schönen Feuer erwartete.
    Das Warten dauerte, ich durchsuchte derweile den Ort und entdeckte zum Glück in einem Flickenkorb eine Puppe, die dem König glich und deren Herz eine Nadel durchbohrte. Ehrlich gesagt, bestand die ganze Ähnlichkeit darin, daß die Puppe männlich war und eine Krone trug, zudem auch beiderseits Ohrgehänge. Merkwürdig war nur, daß diese an die Wangen angenäht waren, die Ohren hatte man, wohl aus Bequemlichkeit, weggelassen.
    Als auf der Treppe Schritte erklangen, konnte ich meinen Fund gerade noch in meine Hosentasche stecken und meine Maske aufsetzen, die Dame sollte mich ja nicht erkennen und jemand anderem beschreiben können. Und das Glück war mir hold, denn die Tür ging auf, und ich erkannte nach Giacomis Beschreibung die
Cavaletta
, gefolgt von einem Mann, der nach |484| dem bloßen Ansehen Venetianelli sein mußte. Als ich nun beide im Netz sah – die Tür hatte der Liebste selbst abgeriegelt –, trat ich hinter den Bettgardinen hervor, und meine fünf Gascogner hinter den Fenstervorhängen, und zu sechst umstellten wir die beiden mit gezückten Dolchen.
    »Bitte, bleibt ruhig«, sagte ich, »ein Schrei würde Euren Kehlen zum Verhängnis.«
    Worauf die
Cavaletta
, eine durchaus nicht unschöne Person, die ihren Namen offensichtlich ihren langen Beinen, langen Armen und einem länglichen Gesicht mit vorspringenden Augen verdankte, gänzlich gelassen blieb.
    »Was wollt Ihr? Geld? Hier ist keins!« sagte sie.
    »Madame!« sagte ich, »sehe ich aus wie ein Schnapphahn? Ihr wißt nicht, mit wem Ihr es zu tun habt!«
    »Monsieur«, sagte die
Cavaletta
schnippisch und so unbeeindruckt von unseren Dolchen, als wären sie aus Pappe, »soviel weiß ich immerhin, daß ich mit Euch nichts zu tun haben will!«
    »Beschwört es nicht!« sagte ich stirnrunzelnd. »Wie der Strick mit dem Gehängten, hat der Scheiterhaufen mit der Hexe zu tun. Und ich bezweifle, Madame, daß Ihr nicht brennbar seid, so hohe Gönner Ihr auch haben mögt – sie könnten Euch opfern, wenn die Praktiken, denen Ihr Euch widmet, sie zu kompromittieren drohen. Ihr kennt die Sorge der Großen um ihren guten Leumund.«
    »Monsieur, ich verstehe nicht.«
    »Madame«, sagte ich, »damit Ihr versteht: Es geht um Magie. Meine Erkundungen sind eindeutig und der Beweis in meiner Hosentasche.«
    Sie warf einen Blick nach ihrem Flickenkorb und erblaßte, ohne aber ihre Haltung zu verlieren, im Gegensatz zu Venetianelli, den unsere Dolche und meine Worte so verunsichert hatten, daß ihm sichtlich die Knie zitterten.
    »Nun denn, Monsieur«, sagte sie hochfahrend, »da man Euch wohl hören muß, so höre ich: Was wollt Ihr?«
    »Madame, beliebt Euch da auf den Schemel zu setzen und stillzuschweigen. Montseris«, fuhr ich auf okzitanisch fort, »du sorgst dafür, daß hier keiner etwas von der Frau annimmt.«
    Damit steckte ich meinen Dolch ein, entzündete einen Leuchter, den ich an mich nahm, und stieß Venetianelli in ein kleines Kabinett.
    |485| »Wollt Ihr mich ermorden, Signore?« fragte Venetianelli, der im schwachen Kerzenschein von Kopf bis Fuß schlotterte.
    Ich lachte und betrachtete ihn neugierig, denn bisher hatte ich nur Augen für die
Cavaletta
gehabt. Nun, wahrlich, so interessant war Venetianelli nicht, nur ein hübscher kleiner Signore, an dem einzig die Kleinheit verwunderte, denn er war einen Kopf kleiner als seine Dame und weich

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