Noch immer schwelt die Glut
daran denken mag.‹ Monsieur«, sagte Venetianelli, nun in seinem natürlichen Tonfall, »Ihr wißt sicherlich, daß Herr von Lyon sich den Kardinalshut erhofft und fürchtet, der könnte ihm entgehen, würde Herr von Guise untergehen.«
»Ich weiß«, sagte ich ernst. »Fahrt nur fort, Signore. Ihr versteht Euch vorzüglich auf die Kunst, die Sprechenden nachzuahmen.«
»Danke, Monsieur«, sagte Venetianelli, ganz entzückt von meinem Kompliment. Überhaupt schien er sich sehr zu lieben, wenn ich nur sah, wie er beim Sprechen bald seine schönen Hände, bald sein Abbild im Spiegel ihm gegenüber betrachtete. »Nach dem Herzog«, fuhr er fort, »sprach der Präsident von Neuilly, mit Tränen in den Augen, gleichzeitig dafür und dawider, ohne den Unsinn zu bemerken.
›Ha, Euer Gnaden!‹ sagte er, ›sicherlich müßt Ihr auf Eure Sicherheit bedacht sein, denn Euer Verlust träfe uns alle. Indessen meine ich, Ihr solltet die erhaltenen Warnungen überhören und bleiben, falls Ihr nicht lieber das Weite sucht, um Euer Leben zu schützen, das uns so kostbar ist wie unser eigenes, welches gewissermaßen von dem Euren abhängt.‹«
»Das ist tatsächlich nicht sehr klar«, sagte ich.
»Das folgende um so mehr«, sagte Venetianelli mit feinem Lächeln. »Es war La Chapelle-Marteau, der den Nagel auf den Kopf traf.
›Wir haben keinen Grund zur Furcht‹, meinte er mit seiner heiseren Stimme, ›wir sind die Stärkeren. Dennoch traue ich dem König nicht. Aber man darf nicht fliehen, man muß vorher zuschlagen.‹«
»Hat er zuschlagen gesagt?« fragte ich.
|488| »Ich weiß nicht mehr«, versetzte Venetianelli, seine schönen Hände bewundernd, »ob er ›zuschlagen‹ sagte oder ›ihm zuvorkommen‹. Ihr wißt ja, er kriegt die Zähne nicht auseinander, wenn er spricht, er geizt sogar mit seinem Atem.«
Wieder ermunterte ich Venetianelli für seinen Scherz durch ein Lächeln, denn je besser er sich in seinem Element fühlte, desto mehr würde er mir sagen.
»Was nun Maineville angeht«, fuhr er fort, »so sprach er wie ein wildgewordener Stier, der die Hörner reckt.
›Monsieur de Lyon‹, sagte er, ›irrt völlig, wenn er behauptet, der König sei kein Tor. Und daß er nicht die Tatkraft aufbringen wird, zuzuschlagen. Großer Irrtum, der König ist ein Tor: Und er wird zuschlagen, ohne die Folgen zu bedenken. Denn Tatkraft – was brauchte die Medici an Tatkraft, als sie Coligny ermorden ließ? Und was die Mutter konnte, kann auch der Sohn, diese Florentiner Sippe steht auf Gift- und Meuchelmord. Nein, nein, fürchtet die Medici! Ich meine, man sollte hier nicht länger verweilen. Wer nicht flieht, muß handeln, und zwar vor dem König.‹«
»Kein Wunder, Signore«, sagte ich, »daß Ihr Komödiant seid, Ihr seid allein ein ganzes Theater. Eure Szene ist gut durchgeführt, und Eure Spieler sind so lebendig, daß ich gespannt bin, was der Herzog jetzt antwortet.«
»Ha, Monsieur! Ihr werdet enttäuscht sein«, sagte Venetianelli, mit einem Blick in den Spiegel, der ihn sichtlich nicht enttäuschte. »Der Herzog spielte schlecht. Alles erwartete seine Entscheidung. Aber er wich großmäulig aus.
›Wenn ich den Tod durchs Fenster kommen sehe, fliehe ich nicht durch die Tür‹, sagte er. Und sein Bruder der Kardinal wurde ungeduldig.
›Mein Herr Bruder‹, sagte er wütend, ›Ihr macht die Dinge immer nur halb! Hättet Ihr auf mich gehört, wären wir, was den König angeht, nicht in der jetzigen Not!‹
›Wie wahr!‹ sagte die Montpensier, hinkte zu ihrem Bruder dem Kardinal und küßte ihn auf den Mund. ›Bei Gottes Tod!‹ fuhr sie fort, ›stecken wir diesen weibischen König ins Kloster, ohne noch viel zu fackeln! Ihr, mein Herr Bruder, nehmt seinen Kopf zwischen die Beine, und ich schere ihm mit meiner goldenen Schere die dritte Krone … Meine Herren, ich glaube, dieser Valois wird einen feinen Mönch abgeben, er wird sich |489| soviel geißeln, kasteien und fasten, daß der Herr ihn bald zu sich ruft.‹
Hierüber mußte der Kardinal so lachen, daß er sich und seinen Kelch erhob.
›Ich trinke auf den zukünftigen König von Frankreich!‹ rief er mit starker Stimme, indem er dem Herzog fest in die Augen sah.«
»Signore«, sagte ich nach einem Schweigen, »Das habt Ihr schön erzählt. Und ich bezweifle nicht, daß die Wütenden am Ende obsiegen werden. Mich verwundert nur, daß der Herzog noch zaudert.«
»Weil er sich so groß und stark fühlt, und so geliebt vom Volk, so
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