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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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und ängstlich, während sie tapfer und kaltblütig war.
    »Signore«, sagte ich, »mein Stand ist nicht Morden, sondern den König und seine loyalen Untertanen vor Mord zu schützen, auch vor bösem Zauber und versuchtem Mord durch verzauberte Puppen und andere verbotene Praktiken. Würde ich Euch und die
Cavaletta
zur Stunde verhaften, könnte Euch sogar der Kardinal von Guise nicht vorm Scheiterhaufen retten.«
    »Aber ich habe nichts damit zu schaffen!« sagte Venetianelli mit bebenden Lippen und Schweiß auf der Stirn.
    »Wer wird Euch das glauben?« entgegnete ich, indem ich ihn scharf ins Auge faßte, »wenn ich sage, daß Ihr als Ehemann der
Cavaletta
in ihre Hexereien eingeweiht sein müßt?«
    Worauf Venetianelli verstummte, und da auch ich schwieg, ohne ihm jedoch bedrohliche Miene zu zeigen, verloren seine Augen allmählich die Angst, und ich sah eine gewisse italienische Verschlagenheit darin aufglimmen, wenn auch noch zweifelnd und zagend.
    »Monsieur«, sagte er, und sogar in dem matten Lichtschein sah ich seinen Mund so trocken, daß ihm der Speichel an den Lippen klebte. »Gibt es ein Mittel, durch welches ich diesen unglücklichen Anschein wettmachen könnte?«
    »Es gibt eins, Signore. Mir wird von jemandem dann und wann berichtet, was am Tisch der Lothringer gesprochen wird. Ihr ahnt nicht, wer es ist, und kennt ihn nicht. Ein zweiter Bericht aus Eurem Munde, der ersteren vielleicht ergänzte, wäre mir wertvoll.«
    »Wie wertvoll, Signore?« fragte Venetianelli, der wieder Hoffnung schöpfte und etwas erleichtert aussah.
    »Wertvoll genug, um eine Puppe in ihrer Wiege schlummern zu lassen.«
    »Ha, Monsieur! Das wird der
Cavaletta
nicht genügen!« sagte Venetianelli, »sie wird ihr Eigentum zurückhaben wollen, um es zu vernichten.«
    |486| »Signore«, sagte ich lächelnd, »ich will der Signora keine Pein bereiten. Mag sie mit ihrer
bambola
spielen, sobald mein Herr diese Stadt verlassen hat, sofern Eure Berichte mich befriedigen werden, wie ich hoffe. Wollen wir uns darauf einigen, Signore?«
    »Chi tace acconsente«,
1 meinte Venetianelli. »Sagt mir, wo ich Euch treffen soll, und mein Mund wird zur Stelle sein, ohne daß mein Gewissen davon weiß, ich beiße ungern die Hand, die mich nährt.«
    »Signore«, sagte ich, »Gewissensskrupel sind weniger scharf als eine Nadel im Herzen einer Puppe. Ich nächtige oft im Gasthof ›Zu den zwei Tauben‹. Meine Ohren stehen Euch offen, wenn Ihr dort nach Monsieur de La Bastide fragt. Signore, ich wünsche Euch eine gute Nacht und rate Euch, Blois nicht zu verlassen, es könnte Euch als Flucht ausgelegt werden.«
     
    Dies war in der Nacht des 15. Dezember, und bereits am Abend des 18. meldete mir La Bastide, der im Wirtssaal mit Montseris würfelte, Signor Venetianelli sei da.
    Worauf La Bastide verschwand, ich meinen Miroul mit Schreibzeug hinter den Bettgardinen versteckte und mir eine Maske aufsetzte, denn ich vertraute dem Mann so wenig wie er mir, wie ich bei seinem Eintritt sah.
    »Keine Bange, Signore«, sagte ich lachend, als er furchtsam nach den geschlossenen Bettvorhängen schielte, »es sind dort keine Spadaccini versteckt. Setzt Euch zu mir und erzählt, ich bin sehr neugierig, Euren Bericht mit dem anderen zu vergleichen.« Der Leser errät ja wohl, daß ich jenen anderen Lauscher nur erfunden hatte, damit dieser mir die Wahrheit sage.
    »Monsieur«, begann Venetianelli, »dann wißt Ihr also, daß es bei Herrn von Guise gestern abend ein Essen gab, an welchem der Kardinal von Guise, der Erzbischof von Lyon, der ehemalige Gerichtspräsident von Neuilly, La Chapelle-Marteau, Maineville und Frau von Montpensier teilnahmen.«
    »Ich weiß«, sagte ich, im stillen sehr erschrocken, da alle bei diesem Souper Anwesenden den König wütend haßten.
    »Herr von Guise«, fuhr Venetianelli fort, »zeigte sich ein |487| wenig beunruhigt, und von seinem Bruder dem Kardinal nach dem Grund befragt, sagte er, er habe so viele Warnungen gehört, und von so vielen Seiten, daß der König ihn ermorden lassen wolle, daß er sich frage, ob er Blois um seiner Sicherheit willen nicht verlassen solle.
    ›Nein, nein!‹ rief Monsieur de Lyon, ›daran dürfen Euer Gnaden nicht denken! Wer geht, verliert die Partie! Hatten wir jemals eine bessere Gelegenheit als diese, da die Generalstände alle für uns sind? Der König ist kein Tor, und er ist viel zu weibisch, um je die Tatkraft aufzubringen, die es zur Organisation eines Mordes braucht, auch wenn er

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