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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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Zeugenschaft. Worauf er sich mit dem Rücken zum Feuer setzte und sich von Revol ein kleines, ledernes Portefeuille geben ließ, dem er drei oder vier Papiere entnahm, die er auf dem Schoß behielt und aus denen er zitierte oder vorlas, um seine Worte zu belegen. Hiermit, sagte er, besitze er Beweise, die ihn von der Rebellion des Herzogs von Guise überzeugt hätten, von seiner Abtrünnigkeit, seinem Einverständnis mit dem Ausland und seinem ständigen Komplottieren, um der königlichen Person habhaft zu werden.
    Besagtes Attentat betreffend, verlas er ein Billett, das der Herzog von Guise eigenhändig unterzeichnet und am Tag der Barrikaden datiert hatte und worin der Herzog dem Empfänger mitteilte, er halte den Louvre von so nahe im Griff, daß er genau verfolgen könne, was darin vorgehe.
    »Was darin vorging, meine Herren«, sagte der König mit halbem Lächeln, »das war ich.«
    Er reichte das Billett weiter an Du Halde, damit er es den Anwesenden übergebe. Und sein Requisitorium in ruhigem Ton fortsetzend, sagte er, er habe den Beweis, daß der Herzog einen ausländischen Fürsten um Gelder für seine Unternehmungen gegen seinen König ersucht habe, und damit legte er den Briefentwurf vor, den Guise an Philipp II. gerichtet und den ich der Montpensier gestohlen hatte. Der Marschall von Aumont wollte wissen, wie ich dies angestellt hätte, und der König bat mich, es zu sagen, was mir aber, wie man sich denken kann, einige Scham bereitete. Doch da Seine Majestät mich drängte, erzählte ich es schließlich, worauf alle lachten, besonders der Marschall von Aumont, der ein Franzose von altem Schrot und Korn war, voll großer Liebe für sein Land und seinen König, und der halb ernst, halb scherzend sagte, es gebe |494| eben keine Lage, in welcher ein guter Untertan seinem Herrscher nicht zu Diensten sein könne.
    Hierauf verklagte der König die Liga und die Generalstände der Verschwörung, ihn zunichte machen und quasi an den Bettelstab bringen zu wollen, indem man ihm jegliches Geld verweigerte, und fügte diesem das Komplott der Guises an, sich seiner Person zu bemächtigen. Zur Unterstützung dessen verlas er Venetianellis Bericht, wie ich ihn niedergeschrieben hatte, und er machte großen Eindruck, am meisten aber die Puppe, die ich im Flickenkorb der
Cavaletta
gefunden hatte und jetzt aus meiner Hosentasche zog. Ich tat es, um François von O auf die Frage zu antworten, wie ich den Komödianten in die Hand bekommen hätte. Und der König staunte darüber als erster, denn am Morgen war mir keine Zeit geblieben, Seiner Majestät die magische
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zu zeigen, durch die man ihn aus der Ferne zu töten hoffte.
    »Meine Herren«, sagte Heinrich, »die Sache ist klar: Ich habe Euch Beweise vorgelegt, die unmißverständlich zeigen, daß der Herzog von Guise alles unternimmt, um sich des Reiches zu bemächtigen, nachdem er dessen tragende Säulen gefällt hat. Und da die Ihr diese Säulen seid, und die festesten, deren Sturz dem meinen dicht vorangehen oder folgen soll, was ratet Ihr mir in dieser Lage?«
    Hiermit wandte er sich zuerst an den Siegelbewahrer Montholon, der mit Revol einer der neuernannten Minister und gewiß ein sehr rechtschaffener und königstreuer Mann war, dessen runde Augen im runden Gesicht aber nicht einen Funken Geist oder Talent verrieten.
    »Sire«, sagte Montholon, »ich meine, bei diesem verworrenen und mit Furcht belasteten Stand der Dinge, woran Herr von Guise großen Anteil hat, sollte man ihn festnehmen und ihm den Prozeß machen.«
    »Rambouillet?« sagte der König, ohne eine Regung zu zeigen.
    »Sire«, sagte Rambouillet, »ich bin derselben Meinung wie Montholon.«
    »Revol?« sagte der König.
    Der Staatssekretär Revol kam ebenso wie Montholon aus dem Amtsadel, und man konnte erwarten, daß er sich dem Vorschlag des Siegelbewahrers anschließen werde, zumal sein |495| engbrüstiges, kränkliches und furchtsames Äußere, auch sein langes, hageres und so weißes Gesicht, daß es aussah wie Kreide, nichts anderes vermuten ließ. Und so gab es beträchtliche Überraschung, als er mit leiser, schüchterner Stimme zu sprechen begann.
    »Sire, auch wenn Ihr Herrn von Guise festnehmen würdet«, sagte er, »wo fändet Ihr dann den Ort, die Richter und die Zeugen, ihm den Prozeß zu machen? Cato, der weise Römer, sagte, einen Verräter am Vaterland müsse man erschlagen, anstatt viel zu fragen, ob man ihn töten darf, denn wenn der Staat in Gefahr ist, muß die Strafe vor der

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