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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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Zeilen an Euch richte, mir nämlich vergeben zu wollen, daß ich mir anmaßte, Eure Ohren schlechtzumachen, welche, wie ich mich erinnere, die hübschesten des Reiches sind und die es vielleicht noch mehr wären, wenn Ihr mir die Huld und Gnade erweisen wolltet, diese Schmuckstücke aus meiner Hand entgegenzunehmen. Euer sehr ergebener und zugeneigter Diener, Heinrich.«
     
    »Sire«, sagte Du Halde, und sein strenges Gesicht wurde noch gestrenger, »das heißt, eine Person denn doch zu sehr mit Samthandschuhen anfassen, die auf Geheiß der Königinmutter mit dem Herrlichen schläft. Diese Leute sind nur allzu geneigt, Euch furchtsam und restlos nachgiebig zu finden.«
    »Sollen sie doch! Mir kann es jetzt nur recht sein!« sagte der König, indem er mir einen einverständigen Blick aus seinen |500| schönen schwarzen Augen zuwarf. »Mein Sohn«, fuhr er fort, »warte im Alten Betsaal, ich sehe dich nach der Messe.«
    Der Alte Betsaal, von dem der König sprach, lag, von der Fensterseite her gesehen, zur Linken seines Gemachs und war von diesem durch eine niedrige Tür zu betreten – niedrig wie die meisten Türen in diesem Flügel des Schlosses, was um so mehr verwundert, als dieser von dem hünenhaften Franz I. erbaut wurde. Die niedrige Tür war mit einer Portiere verhängt, vermutlich wegen der Kälte.
    Hob man die Portiere und öffnete die Tür, gelangte man unmittelbar in den Alten Betsaal, der klein, rechteckig und kahl war wie eine bloße Hand, weil hier keine Messen mehr abgehalten wurden, und ein sehr schönes, großes Fenster hatte, das sich auf eine italienische Loggia hin öffnete. Dem Fenster gegenüber befand sich die ebenfalls niedrige Tür, die ins Alte Kabinett führte, ein viereckiger Raum mit einem großen Tisch und fünf, sechs Schemeln, einem Kamin und Wandtäfelungen, welche mehrere Geheimfächer bargen, die sich durch ein Pedal in der Fußleiste öffnen ließen und in denen der König wahrscheinlich seine wichtigsten Papiere aufbewahrte. Wie Du Halde mir einmal sagte, war auch das Kabinett der Königinmutter im Stock darunter mit fein geschnitzten Paneelen ausgekleidet, hinter denen Geheimfächer lagen, doch ginge das Kabinett der Königinmutter nach dem Land hinaus, während das Alte Kabinett des Königs in den Schloßhof blickte. Ich glaubte ihm aufs Wort, hatte ich doch nie auch nur eine Zehenspitze in Jesebels Höhle gesetzt.
    Ich wartete im Alten Betsaal über eine Stunde auf den König, aber weil ich mich langweilte und in dem ungeheizten Raum fror, ging ich ins Alte Kabinett hinüber, wo ich zum Glück ein gutes Feuer und fünf, sechs der »Fünfundvierzig« fand, die ich zwar gut kannte, die aber auf einem Schemel emsig Karten klopften. Und so stellte ich mich in eine Fensternische, von wo ich in den Hof und auf den Flügel Ludwigs XII. sehen konnte, den ich sehr liebte, denn es ging etwas Fröhliches aus von diesem Wechsel zwischen Back- und Haustein, welcher die beiden rechtwinklig stehenden Fassaden und den verbindenden kleinen Turm zierte. Obwohl Backstein im Périgord völlig unbekannt war, dafür gab es in unserer Provinz viel schönen Ockerstein, und man die Dächer auch nicht mit Schiefer |501| deckte, sondern mit flachem Feldstein, erinnerte mich dieser Flügel Ludwigs XII. durch seine edle Ländlichkeit an mein gezinntes Nest Mespech. Dieser Gedanke rührte mich, und schon erfüllte er mein Herz mit einer reißenden Sehnsucht, zumal jener ewige Dezemberregen niederging, der im Sarladischen häufiger ist als Schnee und dessen feuchter Geruch mir noch in den Nüstern saß, verwoben mit dem von Kastanien, die man in glühender Asche röstet.
    Versunken in meine Erinnerungen, die wie alle, welche die Kindheit betreffen, dem Menschen sehr ans Herz greifen, sah ich plötzlich, wie auf der drübigen Hofseite eine ganze Gruppe von Herren aus der Sankt-Calais-Kapelle trat und wie sich daraus der Herzog von Guise und der König lösten, der eine in hellgrauem Wams, der andere ganz in schwarzem Samt, die Kette des Heilig-Geist-Ordens um den Hals und auf dem Kopf ein Barett mit Federbusch. Sie begannen in der offenen Galerie des Flügels Ludwigs XII. auf und ab zu wandeln, wobei die Säulen jeweils ihre Gesichter verbargen, die zu sehen ich so begierig war, da ich den Gegenstand ihres Gespräches kannte. Es dauerte für mein Gefühl wenigstens eine Stunde, doch ebensowenig wie die Herren, die dem König und seinem Generalleutnant den Platz überlassen hatten und sich vor der Kapelle

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