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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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Verurteilung erfolgen.«
    »Aumont?« sagte der König.
    »Sire«, sagte der Marschall mit rauher Stimme, »wir sind entehrt, und unsere Schwerter auch, wenn wir die Schändlichkeiten dieses Verräters noch einen Tag länger ertragen! Je mehr wir nachgeben, desto entschlossener stellt er uns den Fuß auf die Brust! Kein Prozeß! Es geht um Majestätsverbrechen, und die einzige Sühne ist ein schneller Tod!«
    »François von O?« sagte der König.
    »Sire«, sagte von O, »ich bin derselben Meinung.«
    »Bellegarde?«
    »Sire, Aumonts Wort ist Gold.«
    »Mein Korse?«
    »Sire, wie Revol schon sagte, zuerst die Strafe.«
    »Ich habe es lange für mich erwogen«, sagte der König nach einem Schweigen, »und ich meine, ein Prozeß ist bei meinem derzeitigen schwachen Stand unmöglich. Der Guise ist zu stark, als daß man ihn festnehmen und verurteilen könnte. Dennoch kann ich mich zu der Lösung nicht entschließen, die Ihr vorschlagt, ich verabscheue Blutvergießen. Andererseits aber, da mein Erzfeind die Dinge immer mehr auf die Spitze treibt, ist sein längeres Leben mein Tod, der Tod all meiner Freunde und der Ruin meines Reiches.«
    »Sire«, sagte Rambouillet in seiner grenzenlosen Bewunderung für den König, »wenn Ihr meine Meinung nicht gutheißt, muß sie schlecht sein. Ich schließe mich der Euren an.«
    Alles lächelte und wandte die Augen auf Montholon, der jedoch schwieg, stur wie ein Maulesel, der an dem einmal eingeschlagenen Pfad festhält, auch wenn er falsch ist.
    Der König fügte kein weiteres Wort hinzu, sondern fragte |496| nur Du Halde, wie spät es auf seiner Uhr sei, und beurlaubte uns, entweder weil er seinen Entschluß noch erwägen wollte, oder weil er ihn schon gefaßt hatte, aber noch mit dem notwendigen Geheimnis umhüllen wollte, um Datum und Umstände allein festzulegen.
     
    Am 20. Dezember, einem Dienstag, empfing ich zur Abendstunde wiederum Venetianellis Besuch in den »Zwei Tauben«. Er schien ganz närrisch darauf, seinem Groll auf seinen Gönner nachzugeben und die Neuigkeiten, die ihm die Backen schwellten, vor mir auszubreiten. Doch wollte er, im Wissen um Gewicht und Wert besagter Neuigkeiten, zuerst den Preis aushandeln und verlangte die
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zurück, bevor er den Mund aufmachte. Und ich, der ich mir die Huld des eitlen Kerls nicht verscherzen wollte, überhäufte ihn mit Schmeicheleien und bat ihn, als Margot meine Mahlzeit auftrug, diese mit mir zu teilen, dann sagte ich, daß ich für ihn soviel Freundschaft und Vertrauen empfände, um ihm mein Gesicht nicht länger zu verbergen. Hiermit legte ich die Maske ab, was ich zum Essen ohnehin tun mußte, und versicherte ihn, das nächste Mal würde ich ihm auch meinen Namen und meine Familie nennen, wobei ich durchblicken ließ, daß sie zu den höchsten im Reich gehörten. Was indessen die
bambola
angehe, die ich zwischen uns auf den Tisch legte, bäte ich ihn gütigst, daß er mich den Moment bestimmen lasse, sie ihm wiederzugeben. Worauf Venetianelli schließlich einging, so betölpelt war er von meiner Liebenswürdigkeit und Herablassung.
    »Monsieur«, begann er, nachdem Margot Fleisch und Flaschen gebracht und die Tür hinter sich geschlossen hatte, »was ich Euch zu sagen habe, besteht in einem Wort, aber dieses Wort allein spricht Bände, so folgenschwer ist es für die Großen, die es betrifft: nämlich den ›Großen von Blois‹, wie Nostradamus sagt, womit ganz klar der König bezeichnet ist, und ›seinen Freund‹, mit welchem durch Antiphrase nur Guise gemeint sein kann.«
    »Ha«, sagte ich, indem ich die Pfote auf diesem heiklen Gebiet nur vorstreckte, um sie gleich wieder einzuziehen, »Ihr kennt die Prophezeiung des Nostradamus!«
    »Ich kenne sie«, sagte Venetianelli mit einer Miene unaussprechlicher Weisheit, »und ich halte sie für vollkommen verläßlich: |497| Der ›Große von Blois‹ wird, wie der illustre Magier weissagt, ›seinen Freund‹ töten. Das steht in den Sternen geschrieben.«
    »Ach, die Sterne!« sagte ich lächelnd, »die nach Regiomontanus schon für 1588 das Ende der Welt prophezeit hatten! Aber die Welt steht noch solide wie immer und scheint wenig geneigt, unter unseren Füßen einzustürzen.«
    »Monsieur«, sagte Venetianelli, »wenn Ihr nicht an die Sterne glaubt, so glaubt wenigstens an die Charaktere. Wenn ich Guise heute sage, daß man ihn morgen tötet, dann lacht er mir ins Gesicht. Wozu hält man einem Menschen einen Spiegel vor, wenn seine Stärke ihn blind macht?

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