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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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alle um sich haben wollte. War der König nicht da, hielten sie sich manchmal auch, wie man sah, im Alten Kabinett auf, dessen Tür zum Ratssaal B auf Befehl des Königs gleich nach seiner Ankunft in Blois zugemauert worden war, sicherlich um seine »Kniekehlenschneider«, wie die Ligisten sie schimpften, von den übrigen Gemächern abzusondern.
    Trat man vom Ratssaal B ins königliche Gemach G, fand man zur Rechten einen großen Kamin – der nach Heinrichs Klage viel zu weit von seinem Thronsessel entfernt war – und ihm gegenüber, in den Fensternischen, zwei Truhen, deren Inhalt ich nicht kannte, auf denen man aber sitzen durfte, bis der König einen beim Namen rief und einem seine Hand darbot. Links dann das königliche Bett, dessen blaue, mit goldenen Lilien übersäte Vorhänge immer geschlossen waren, weil der König nicht darin schlief, er fand es zu eng und bevorzugte das Lager der Königin, das seiner ewig fröstelnden Natur die Wärme einer Bettgefährtin bot. Zur Linken des Bettes befand sich, wie ich wohl schon sagte, eine Art Apsis oder Erker, in welchem der Thron stand, ein schlichter Lehnstuhl, mit dem |505| gleichen Samt wie die Bettvorhänge bezogen. Zur Rechten dieses Lehnstuhls stand ein Schemel, auf den der König einen Besucher sich zu setzen oder nicht zu setzen bat, je nach der Wertschätzung, die er ihm bezeigen wollte, oder aber der Länge, die er der Audienz setzte.
    |504|

    Lenkt ihr eure Schritte zurück zum Kamin (was man in diesen kalten, regnerischen Tagen nur zu gerne tat, brannte dort für gewöhnlich doch ein tüchtiges Feuer), findet ihr zur Linken besagten Kamins die Tür zum Neuen Kabinett (F). Daß der König auch am anderen Ende seiner Gemächer, im Alten Kabinett empfing, hatte hauptsächlich mit dessen bequemen Geheimfächern zu tun, doch arbeitete er lieber im Neuen Kabinett, weil es ein sehr kleiner Raum war und folglich gut geheizt, sowohl durch den eigenen Kamin, wo die Flammen hoch und hell loderten, als auch durch die Wärme, welche die Rückwand des Kamins ausstrahlte, der sich in seinem Zimmer befand.
    Zwei Türen öffneten sich zum Neuen Kabinett: Eine führte nach E, zur königlichen Garderobe, die andere nach D, in die Neue Kapelle.
    Die Gemächer der Königin, C und C', habe ich nie betreten, kann sein, daß sie ob ihrer Größe der Annehmlichkeit halber noch unterteilt waren.
    In der Neuen Kapelle gab es einen sehr schönen, kleinen Altar mit einem großen Kruzifix darüber, und vor dem Altar einen Betstuhl aus vergoldetem Holz mit blauem Samtpolster, auf dem der König bei seinem Lever zum Gebet niederkniete und etwas später die Messe hörte, welche von seinem Kaplan und seinem Almosenier im Wechsel gelesen wurde, falls er es nicht vorzog, sich über den Hof in die Saint-Calais-Kapelle zu begeben wie an diesem 21. Dezember, um Guise zu treffen und »zu sehen, was an der Sache Wahres war, oder aber sich schwer zu zerstreiten«.
     
    Nun, daß sein Herz über die Grenzen des Erträglichen hinaus erregt war, das hatten seine plötzlichen Ausbrüche gezeigt, als er nach dem Gespräch mit dem Lothringer zurückgekommen war, und obwohl der König sich inzwischen beruhigt hatte, sah man, als er seine Garderobe verließ, seinem tiefblassen Gesicht, seiner gerunzelten Stirn und den scharfen Lippenfalten an, daß ihm die vom Herzog angedrohte Demission und Abreise schwer |506| im Magen lag. Statt des durchnäßten schwarzen Wamses trug er nun eines aus hellblauem Samt und ein Barett derselben Farbe, freilich ohne die zerbrochene Schmucknadel, doch paßte dieser heiter anmutende Anzug schlecht zu den bitteren Gedanken, die sich auf seinem düsteren Gesicht abzeichneten.
    »Mein Sohn«, sagte er, mit kurzem Blick zu mir, »geh bitte und sieh, ob meine Freunde im Alten Kabinett beisammen sind.«
    Ich konnte ihm melden, daß alle dort waren, bis auf Revol, den Du Halde, wie ich hörte, noch persönlich holte. Als der König im Alten Kabinett erschien, wo er außer seinem engsten Rat fünf oder sechs der »Fünfundvierzig« antraf, gerieten diese mit ihren Karten und Tabakspfeifen sehr in Verlegenheit, aber Seine Majestät sprach mit der üblichen Güte, »seine Kinder« sollten in sein Zimmer gehen, dort fänden sie auch ein gutes Feuer, um sich ihrem Spiel zu widmen, jedoch ohne zu paffen, den Rauch der Nikotinpflanze verabscheute er.
    Revol kam hinter Du Halde gelaufen, welcher auf einen Wink des Königs sofort ein Fenster aufriß, um den furchtbaren Gestank, nicht nur

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