Noch immer schwelt die Glut
verweilten, konnte ich erraten, ob es heftig und zornig verlief. Das einzige, was ich beobachtete, war, daß Guise mehrmals seinen großen Federhut zog und der König ihm mit einer Geste bedeutete, sich sogleich wieder zu bedecken, woraus man aber nichts schließen konnte, da der Lothringer mit Hutschwenken immer freigebig und Seine Majestät sehr höflich war.
Schließlich trennten sich die beiden, und der König überquerte in Wams und Cape, wie er war, im strömenden Regen den Hof, aber – seltsam – ohne Du Halde und den Schutz seines
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herbeizurufen, worauf Du Halde ihm mit dem aufgespannten
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nachlief, und als er den König einholte, wandte dieser unwirsch den Kopf ab und geißelte, wie ich zu sehen meinte, den armen Du Halde mit wütenden Worten, obwohl er doch nichts dafür konnte, sein Dienst war ja nicht gefordert worden. Als der König die große Ehrentreppe betrat, ging ich vom Alten Kabinett zurück in den Betsaal, und da das Gemach des Königs nicht verschlossen war, hob ich die |502| Portiere und blieb in der Türleibung stehen für den Fall, daß der König mich riefe, ahnte ich doch nach der Art, wie er Du Halde angefahren hatte, daß er wütend war. Und, um die Wahrheit zu sagen, er war es weit mehr, als ich mir vorgestellt hatte, denn kaum in seinem Zimmer, riß er sich das Barett vom Kopf und schleuderte es auf den Fußboden. Was mich an seinen Bruder Karl IX. erinnerte, der – sechzehn Jahre war es her –, als er beim Ballspiel mit Guise, Téligny und mir aus Yollets Mund hörte, daß man ein Attentat auf Admiral Coligny verübt hatte, derart außer sich geriet, daß er sein Rakett auf die gleiche Weise zu Boden warf.
»Sire«, sagte Du Halde vorwurfsvoll, als er das Barett aufhob, »jetzt ist die Nadel unrettbar zerbrochen!«
»Symbol, Du Halde!« schrie der König aus voller Kehle, »Symbol! Und du weißt, wofür!«
»Sire«, sagte Du Halde, »Ihr weckt die Frau Königinmutter auf, die heute morgen Medizin genommen hat und sich sehr schlecht befindet.«
»Bah!« fauchte der König, »Frauen haben sieben Leben, wie die Katzen! Meine Frau Mutter wird noch mich beerdigen und sich hinter meinem Sarg auf den ›Stecken und Stab ihres Alters‹ stützen. Du Halde«, fuhr er plötzlich auf, indem er sich mit beiden Händen an die Ohren faßte, »wo sind meine Ohrgehänge?«
»Aber, Sire, die habt Ihr doch heute morgen Madame de Sauves zum Geschenk gemacht.«
»Hafen der Gnade!« brüllte der König, »muß ich mich bei lebendigem Leibe rupfen lassen? Die Konnetablerie dem Herrlichen! Meine Perlen seiner Hure! Ha, mein Sohn!« sagte er, als er mich in der Tür stehen sah, »dein Mann hat nicht gelogen!«
»Sire«, sagte Du Halde, »die Wände haben Ohren.«
»Nein, mein guter Du Halde«, sagte der König, jäh beschwichtigt, und sprach nun ganz leise. »Dieses ganze Schloß ist ein einziges, riesiges Ohr, das selbst meinen Herzschlag erlauscht! Und eine Minute, Du Halde, eine Minute nach meinem großen Zorn weiß es der Herrliche! Du Halde«, setzte er schnell mit zusammengepreßten Zähnen hinzu, »ruf mir unverzüglich d’Aumont, Revol, Rambouillet, Bellegarde, François von O und meinen Korsen ins Alte Kabinett. Unverzüglich, Du Halde!«
|503| Leser, lassen wir den guten Du Halde laufen und die sicheren Freunde unseres geliebten Gebieters zusammenrufen, und während dieser seine Garderobe aufsucht, seine durchnäßten Kleider zu wechseln, beliebe es dir, einen Blick auf nebenstehende Skizze zu werfen: Sie zeigt das zweite Stockwerk des Schlosses zu Blois, in das ich die Gemächer des Königs eingezeichnet habe, denn um den Fortgang dieser Erzählung zu verstehen, muß man ihre Lage genau kennen.
E ist jener wunderbare, durchbrochene Treppenturm, der vom Hof zu den Etagen hinanführt, die Ehrentreppe, zu der sich zwei weitere Treppen gesellen: e, die das Gemach der Königinmutter im ersten Stock mit dem Gemach des Königs im zweiten verbindet, jene Wendeltreppe, die der Leser schon kennt, floh über sie doch Madame de Sauves samt ihren Ohren, und e', über die man das Alte Kabinett A vom Hof aus erreicht und die »Fünfundvierzig« zu den königlichen Gemächern gelangten, ohne die Ehrentreppe zu benutzen. H ist der Alte Betsaal, neben dem Zimmer des Königs gelegen, wo er mich an diesem Mittwoch warten hieß, bevor er zur Messe hinunterging. Die Räume I und J (letzterer lag im sogenannten Mühlenturm) dienten den »Fünfundvierzig« als Gardesaal, wenn der König sie
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