Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
Vom Netzwerk:
nicht zu lösen wußten, denn konnten die »Fünfundvierzig« e und e' auch ohne weiteres besetzen, weil sie dort außer Sicht waren, hätten Leute auf der großen Ehrentreppe das Mißtrauen des
tertium quid
erregt, kaum daß er sie betreten hätte, wußte doch der
tertium quid
durchaus, wie sehr ihn die »Fünfundvierzig« haßten.
    Auch hier rettete uns wieder der König, indem er sagte, Larchant könnte den Treppenturm mit seinen Garden besetzen unter dem Vorwand, daß sie beim Rat ihren unbezahlten Sold einfordern wollten. Im übrigen könnte Larchant den
tertium quid
schon am Tag vor der Ratssitzung über diesen Schritt unterrichten, damit er bei seinem Anblick nicht überrascht wäre. Nun wollte man beraten, an welchem Ort der
tertium quid
getötet werden sollte, aber hier unterbrach uns der König und sagte, das habe er im stillen schon beschlossen, diese Frage müsse nicht erhoben und diskutiert werden, jedoch habe er noch nicht festgelegt, an welchem Tag der Rat statthaben solle. Er dankte uns sehr für unsere Vorschläge und ermahnte uns schließlich mit äußerster Dringlichkeit zu absoluter Geheimhaltung, wir dürften zu keiner lebenden Seele davon sprechen, ja »nicht einmal zum Herrgott in unseren Gebeten«. Ein Wort, das mich aus dem Munde eines so gottesfürchtigen Fürsten allerdings verwunderte.
    |509| Ich entsinne mich, daß mich, als ich an jenem Abend in die »Zwei Tauben« zurückkehrte, eine Art Blendung meiner Augen befiel, worauf ein solches Schwindelgefühl folgte, daß sich alles um mich zu drehen schien. Dies währte aber nur einen Lidschlag und wiederholte sich auch in den folgenden Minuten nicht, und weil meine Gesundheit, derzeit wie noch jetzt, sonst so gut wie nur möglich war, beruhigte ich mich damit, daß dieser Anfall wohl eine moralische Ursache hatte und dem Gefühl entsprungen war, das mich seit der Debatte im Alten Kabinett nicht losgelassen hatte, nämlich daß plötzlich nun alles Schlag auf Schlag ging, daß daran nichts mehr zu ändern war, daß das Verhängnis um so rascher lief, je mehr es nach Blut trachtete.
    Vor der Nacht kam zu meiner beträchtlichen Überraschung noch einmal Venetianelli zu mir – hatte ich doch geglaubt, ich hätte ihn am Vorabend das letztemal gesehen. Wie man sich denken kann, machte ich ihm wiederum viele schöne Komplimente, bat ihn an meinen Tisch, gegenüber dem Spiegel, der ihm so behaglich war, und teilte mit ihm Fleisch und Flaschen, ohne daß ich ihn mit irgendeiner Frage bedrängte, gewiß, daß die reife Frucht mir bald von allein in den Mund fallen würde. Und richtig, sobald Venetianelli sich an Huld und Speise gesättigt hatte, sagte er, daß Guise von der Wut des Königs erfahren habe, als dieser in seine Gemächer zurückgekehrt sei, auch, daß Seine Majestät sich hierauf lange mit seinen vertrautesten Räten im Alten Kabinett beraten habe, nur daß nichts davon hinausgedrungen sei, was ihn sehr beunruhige, daß aber sein Entschluß in jedem Fall feststehe, Blois am Freitag, dem 23., um Mittag zu verlassen.
    Als Venetianelli endlich ging und ich im Zimmer allein blieb, weil La Bastide, Montseris und Miroul sich aus verständlichem Grund schnell verzogen hatten, zerrte sich meine Brust plötzlich schmerzhaft zusammen, Schweiß rann mir über die Wangen, und Knie und Hände schlotterten mir, ohne daß ich es hindern konnte. Es dauerte einige Zeit, bis ich begriff, daß meine Erregung dem erschreckenden Gefühl entsprang, in diesem Moment ein unmerkliches und doch sehr bedeutsames Rädchen im unerbittlichen Getriebe der Dinge zu sein, denn es lag ja ganz bei mir, ob ich dem König Venetianellis Worte mitteilte oder nicht. Und wenn ich sie ihm mitteilte, wie es meine Pflicht war und auch meine Neigung, so würde ich, da der Herzog insgeheim |510| Tag und Stunde seiner Abreise festgesetzt hatte, indem ich dem König dieses Geheimnis preisgab, dem Herzog dazu verhelfen, selbst Tag und Stunde seines Todes zu bestimmen, war es doch das entschiedene Begehr des Königs, dieser Abreise, die seiner Sache so verhängnisvoll gewesen wäre, zuvorzukommen.
    Sowie ich nun am Donnerstag, dem 22. Dezember, mit den »Fünfundvierzig« im Schloß eintraf, bat ich den Türsteher, der vorm Alten Kabinett wachte, Du Halde mitzuteilen, daß ich Seiner Majestät etwas äußerst Wichtiges zu vermelden hätte. Du Halde kam, umarmte mich und flüsterte mir auf die Frage, wie es dem König gehe, zu: »In seinem Inneren fiebert und brodelt es.« Dann führte

Weitere Kostenlose Bücher