Noch immer schwelt die Glut
nieder!«
»Das glaub ich«, sagte der Bursche mundfertig. »Behüte Gott, daß ich mich einem Edelmann mit gezogenem Degen gleichstellen will. Bloß, eh ich tot bin, ist Euer Sohn erschossen, und da hat er was von, mit mir die Würmer zu füttern.«
»Elender!« schrie Sauveterre zornbebend, »lasse ich mich etwa herab, mit einem Mordbuben zu verhandeln?«
»Müßt Ihr wohl, Moussu! So wahr mein Name der lange Jacquet ist! Meine Pistole ist schneller als Euer Degen.«
»Das denkst du, Lump!« schrie Sauveterre, indem er einen gewaltigen Stoß führte, der jedoch danebenging, weil sein Hinkebein ihn böse im Stich ließ. Nicht faul, zielte der Räuberhauptmann auf den Onkel und schoß, der stürzte nieder, aber in |67| der nächsten Sekunde auch der Schütze, von meiner Hand durchbohrt.
Ich warf mich zum Onkel auf die Knie.
»Es ist nichts«, sagte Sauveterre sehr ruhig. »In acht Tagen bin ich wieder im Sattel. Pierre, wirf den Schuft zum Fenster hinaus, damit seine Leute es sehen und den Mut verlieren.«
Der aber war groß und schwer, und mein Harnisch behinderte mich.
»Mädchen«, sagte ich – ihren Namen verschweige ich, ich hab’s ihr versprochen, »komm und hilf mir!«
Was sie tat, nackt, wie sie war, und zu zweit schafften wir, nicht ohne Mühe, was Sauveterre geraten hatte.
»So ein schöner Kerl!« sagte das Mädchen, als er unten auf dem Pflaster lag. »Was für ein Jammer!«
»Was für ein Jammer aber erst, dumme Trine, wenn er dich nach der Entjungferung erstochen hätte!«
»Daran hab ich auch gedacht«, sagte das Mädchen, »Vögel, die früh singen, holt abends die Katz! Aber jetzt bin ich entehrt und hab nicht mal was von gehabt! Moussu, wenn Ihr’s herumerzählt, finde ich weit und breit keinen Mann mehr.«
»Hab keine Bange, ich verrate dich nicht.«
»Was du nicht verdient hast, Zuchtlose«, sagte Sauveterre, der sich, schwer japsend und sehr bleich, mit den Schultern an die Mauer lehnte und seine Pistole lud. »Verhülle dich, Weib, und bete für deine Sünde. Pierre, bleib vom Fenster weg!«
In dem Moment hörte man einen Schrei.
»Der lange Jacquet ist hin!«
Und da Sauveterre mir seine Pistole hinstreckte, spähte ich seitlich zum Fenster hinaus und erledigte mit einem Schuß den Schreihals. Worauf ich ungesäumt meine Waffe lud, doch unnütz, denn die Räuber stoben wie kopflos auseinander und die Unseren hinter ihnen her. Weil aber gerade eine schwarze Wolke den Mond verdeckte, rief mein Vater ihnen nach, sie sollten zusammenbleiben und sich trotz ihrer weißen Binden nicht untereinander verletzen.
»Pierre«, sagte Sauveterre, und seine Stimme klang mir schwächer, »mach den Pfarrer vom Balken los. Ist er auch ein Verräter, verdient er doch nicht, wie eine Speckseite zu hängen.«
Ich lief hinunter, da kam mein Vater ins Haus und auf mich zu gelaufen.
|68| »Pierre, bist du heil?«
»Ja, und Ihr, Herr Vater?«
»Kein Haar gekrümmt!« Und glücklich schloß er mich in die Arme und rieb seinen Schnurrbart an meiner Wange. »Und Sauveterre?« setzte er hinzu.
»Von einem Schuß getroffen.«
»Ich gehe zu ihm!« sagte Siorac mit sorgenvollem Gesicht. »Ho! Moussu, helft mir!« rief eine Stimme, als ich meinem
Vater folgen wollte. »Ich kann nicht mehr! Meine Arme brechen!«
Und weil eben Giacomi ins Haus trat, bat ich ihn, Pfarrer Zange bei den Beinen anzuheben, damit er leichter werde, dann schnitt ich mit zwei Degenhieben die Stricke durch. Zange sackte Giacomi wie eine Puppe auf die Schulter und ächzte, seine Handgelenke seien kaputt. Ich löste ihm die Strickenden, das Fleisch war ringsum geschwollen und blau, blutete aber nicht, so daß ich ihn beruhigen konnte, zumal ich beim Abtasten weder an den Handgelenken noch an den Schultern einen Bruch feststellte. Sicherlich aber waren die Sehnen überdehnt und einige Muskeln gerissen, was den Gefolterten wenigstens bis ins nächste Jahr stillegte.
Als Jacotte, von ihrem Friedhofsversteck heimgekehrt, ihren Pfarrer in dieser Verfassung sah, schlug sie wie eine erschrockene Henne mit den Flügeln und begann rundzulaufen, klappernd wie eine Mühle in schnellem Wasser. Ich hieß sie still sein, ihrem Herrn die Handgelenke mit Weingeist zu kühlen, ihn zu Bett zu bringen und ihm zum Schlafen ein wenig Opium einzuflößen.
Ich hatte Jacotte meine Empfehlungen erteilt, da sah ich meinen Vater mit schwerem Schritt die Treppe herunterkommen.
»Die Wunde ist nicht gering. Die Kugel ist durch den Harnisch gegangen und
Weitere Kostenlose Bücher