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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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zurückgeschreckt vor Angst und Zittern und gelaufen, daß ich’s meinem armen Pfarrherrn melde.«
    »Aber, du hast sie doch gesehen, Jacotte«, sagte Siorac, »und mußt wissen, wie viele es sind?«
    »Vielleicht kann sie nicht zählen«, sagte Sauveterre.
    »Um Vergebung, Herr Junker«, sagte Jacotte, »zählen kann ich bis zwanzig, und straf mich die gebenedeite Jungfrau, wenn ich lüge.«
    »Nur Gott allein straft!« schrie Sauveterre, der sich in seinem |63| Zorn beinah umgedreht hätte wie Loths Weib und wie dieses zur Salzsäule erstarrt wäre. »Gott allein!« wiederholte er, »und keine Maria, die ist nicht Gott!«
    »Um Vergebung, Herr Junker«, sagte Jacotte nicht ohne Würde, obwohl nackt, »das hat mein Pfarrer mich anders gelehrt.«
    »Mein Bruder«, sagte Siorac auf französisch, »lassen wir jetzt die Theologie. Sieh her, das sind zehn«, fuhr er, an Jacotte gewandt, fort, indem er zehn Finger aufstreckte, »waren es zehn? Oder fünfzehn?« wobei er die Rechte erhoben ließ und die Linke zweimal aufstreckte, »oder zwanzig?«, und er zeigte ihr beide Hände zweimal. Worauf Jacotte aber nicht gleich antworten konnte, weil Barberine ihr ein leinenes Hemd überstreifte, wovon ihr gewiß wohler ward als ihren Betrachtern.
    »So ein Jammer, sie schon wieder zu verstecken«, sagte Petromol, und okzitanisches Gemurmel pflichtete ihm bei.
    »Kann sein, daß es zehn waren, Moussu lou Baron«, sagte die Jacotte, »kann sein, auch zwanzig.«
    »Auch zwanzig?« höhnte Sauveterre.
    »Auch zwanzig, ja«, sagte Jacotte, die nichts dabei fand.
    »Nun seid Ihr gut unterrichtet, mein Bruder«, sagte Sauveterre. »Und was ist mit den Waffen, Jacotte?«
    »Meiner Treu«, sagte die Jacotte, indem sie zum Tisch trat, »könnt sein, ich hab das gesehen«, wobei sie auf einen Degen tippte, »könnt sein, auch das«, und sie tippte auf eine Pike.
    »Beim Ochsenhorn«, sagte Sauveterre, »wenn es zwanzig sind, mit Feuerwaffen, ob mit oder ohne Harnisch, dann macht das für uns wenige einen größeren Brocken, als wir schlucken können. Herr Bruder, ich meine, wir sollten zu Puymartin um Hilfe schicken und erst morgen früh angreifen, mit seiner Verstärkung und wenn man besser sieht.«
    »Herr Junker«, sagte die Jacotte, und Tränen schossen ihr aus den Augen, »die sind wie ausgehungerte Wölfe! Wenn Ihr länger wartet, findet Ihr Marcuays in Schutt und Asche, die Männer erschlagen, die Weiber aufgeschlitzt.«
    »Alsdann, beten wir, daß Puymartin rechtzeitig kommt!« sagte Siorac. »Maligou, Barberine, knüpft unseren Männern eine weiße Binde um den Arm, damit sie sich nicht gegenseitig erschlagen, obwohl heute, zum Glück, Mondschein ist. Miroul, sag Puymartin, er soll seine Leute auch mit einer Binde versehen. Mein Bruder«, fuhr er auf französisch fort, »ich möchte, |64| daß Ihr mit Faujanet, Coulondre, Escorgol und François in unserer Abwesenheit die Burg bewacht.«
    »Kommt nicht in Frage!« rief Sauveterre empört, daß er mit einem Hinkefuß, einem Einarmigen, einem Dickwanst und einem Feigling (denn als solchen empfand der alte Kriegsmann meinen Bruder François, wenn auch zu Unrecht) in unseren Mauern zurückbleiben sollte. »Ich gehe mit, ich will es!«
    »Aber, Euer Bein, mein Bruder!«
    »Das trägt mich!« sagte der Mitherr von Mespech so zornig, wie ich ihn nie gesehen hatte. »Was will ich mehr?«
    Die Pferde standen gesattelt, und als Escorgol das Fallgatter hob, uns hinauszulassen, ritt ich an die Seite meines Vaters, der Jacotte hinter sich aufsitzen hatte. Im Mondlicht sah ich sein sorgenvolles Gesicht unterm Helm. Und es gab Grund dazu. Wenn wir es mit zwanzig Banditen zu tun bekämen, wären wir nur halb so stark: Die Herren Brüder, die beiden Vettern Siorac, Cabusse der Gascogner, Jonas der Steinmetz, Petromol, Fröhlich, Giacomi und ich, das waren nur zehn. Mit Miroul konnten wir nicht rechnen, den hatten wir zu Puymartin geschickt, doch ohne große Hoffnung, daß er ihn antreffen werde, weil der kein Fest auf den umliegenden Burgen und Schlössern ausließ.
    Hinter einer leerstehenden Kate, genannt La Fumélie, saßen wir ab auf dem dazugehörigen Wiesenstück jenseits der Dorfmauer, offenbar waren die Strolche nicht sehr auf ihrer Hut, sonst hätten sie dieses Haus am Weg von Mespech her nicht unbesetzt gelassen.
    Mein Vater befahl Petromol zum Hüter unserer Pferde, sicherlich, weil er ihn noch nie hatte kämpfen sehen, und so schlichen wir uns nur zu neun, Jacotte im Gefolge, schweigend

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