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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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zum Tor, das nördlich in besagter Mauer lag und das ein alter Krüppel und Säufer namens Villemont bewachte, der zur Zeit des Überfalls wahrscheinlich geschlafen und vielleicht sein Leben verloren hatte.
    »Jacotte«, raunte mein Vater unterwegs, »du klopfst ans Tor und sagst, daß du die Magd vom Pfarrer bist und von einem Spinnabend kommst. Wenn du eingelassen wirst, flüchtest du dich auf den Friedhof und versteckst dich dort.«
    »Moussu lou Baron«, sagte Jacotte, »ich bete zur gebenedeiten Jungfrau für meinen Pfarrer, für Euch und«, setzte sie nach einigem Schwanken hinzu, »für den Herrn Junker.«
    |65| »Amen«, sagte mein Vater. »Männer«, fuhr er mit gedämpfter Stimme fort, als seine Leute sich um ihn scharten, »zieht blank, ohne Geräusch zu machen, und haltet die Spitzen nach unten, damit ihr euch nicht gegenseitig verletzt. Und alle den Mund halten! Katzengang! Pistolenfeuer nur im Notfall, Schießen ist lauter als Stechen. Die Schnapphähne werden beim Plündern und Zusammenschleppen sein. Gebt kein Pardon! Männer, der Herr Junker, mein Sohn Pierre, Signor Giacomi und ich nehmen uns die Pfarre vor, dort stecken sicherlich die meisten. Ihr anderen bleibt auf dem Platz zur Verstärkung, Cabusse befiehlt. Gott schütze euch, Kinder!«
    Wacker, wie sie war, und standhaft in jedem Wind, spielte die Curotte ihre Rolle, verlangte mit sicherer, ulkender Stimme Einlaß, als säße Villemont noch im Torhaus, anstatt tot im Mist zu liegen, wie wir Sekunden später sahen, die Kehle von einem Ohr zum anderen aufgeschlitzt, vom weinseligen Schlaf in den ewigen Schlaf geglitten.
    Die Kehle aufgeschnitten, ohne einen Schrei, wurde flugs auch demjenigen, der öffnete, und zwar von Fröhlichs Messer, und wie ein Sack Korn fiel der Kerl über Villemont, dann drückte Fröhlich mit seinem riesigen Gewicht gegen die Pforte, daß die Kette brach, und ließ uns zum großen Tor herein. Wir hatten es geschafft! Mein Vater und ich stürzten als erste zum Pfarrhaus, dessen Tür zum Glück offenstand, so daß vier der Schufte, die den Pfarrer an den Handgelenken am Deckenbalken aufgehängt hatten, wohl damit er gestehe, wo sein Gold versteckt war, auf der Stelle durchbohrt wurden, nicht ohne daß einer noch auf meinen Vater zu schießen versuchte.
    »Ha!« sagte mein Vater, »das gefällt mir nicht! Lärmen und Schießen treibt die Kakerlaken aus dem Loch.«
    Er eilte zur Treppe, die in den Oberstock führte, doch kam ich ihm zuvor, um ihn vor einem Treffer aus dem Dunkeln zu schützen, und stolperte über einen betrunkenen, vor Angst halbtoten Knollfink, den ich am Schlafittchen packte.
    »Schuft«, sagte ich leise, indem ich seinen Hals wie eine Zwinge umklammerte und ihm das Knie auf die Brust setzte, »wie viele sind da oben? Dein Leben, wenn du’s sagst.«
    »Nur einer. Der Hauptmann.«
    Ich versetzte ihm einen Stoß mit dem Eisenhandschuh, daß er die Treppe hinunterpolterte, was ihm das Leben rettete, wie |66| ich später erfuhr. Doch mit einem Blick zum Fenster hinaus sah ich im hellen Mondlicht mit Schrecken, daß unsere Männer auf dem Platz von einem Dutzend mörderisch schreiender Räuber umringt waren. Ich zog meine Pistole und erledigte einen, Sauveterre neben mir einen zweiten.
    »Mein Bruder«, sagte Siorac, »nehmt Ihr Euch mit Pierre den Hauptmann vor! Ich eile mit Giacomi den Unseren zu Hilfe.«
    Die Tür im Oberstock mit dem Fuß aufstoßend, stürmte ich ohne viel Überlegung in den Raum, denn dort schickte sich ein langer Kerl offenbar an, durchs Fenster zu seinen Leuten zu entwischen, fuhr aber herum bei meinem Erscheinen und trat mir entgegen, den Degen in einer Hand – was mich nicht schreckte –, eine Pistole in der anderen – was mir weniger gefiel, denn meine war nicht nachgeladen und die von Sauveterre auch nicht. Jäh hielt ich inne, der Onkel ebenso, verwundert, daß der Bursche nicht schoß, obwohl er auf mich zielte, und vollends baff, als ich im hereinflutenden Mondschein erkannte, daß er nackt war, bis ich im Pfühl von Pfarrer Zange ein ebenso nacktes Mädchen aus dem Dorf erkannte, dem der Strolch anscheinend Gewalt antat, falls es Gewalt war, denn der Kerl war schön, breitschultrig, stark und stolz, ein geborener Galgenstrick, der sein Los verlachte.
    »Moussu!« sagte er mit kräftiger, beinah lustiger Stimme, doch weiter auf mich zielend, zu Sauveterre, »wenn ich nicht schieße, schenkt Ihr mir das Leben?«
    »Wenn du schießt«, sagte Sauveterre, »stoß ich dich

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