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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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endet. Trotzdem sprach er noch einmal gegen neun Uhr, mit kaum mehr hörbarer Stimme.
    »Mein Dasein hienieden …«, begann er in einem Atemzug. Mein Vater neigte ihm das Ohr zu und nickte, um ihm zu bedeuten, daß er höre.
    »Mein Dasein hienieden«, wiederholte der Onkel in Stößen, »war nur ein Fernsein … von den ewigen Freuden.«
    Mein Vater und ich sahen einander schweigend an, denn besser |71| hätte Sauveterre sein strenges Leben nicht ausdrücken können, das nur eine Erwartung des künftigen gewesen war. Ich sah, daß mein Vater sprechen wollte, aber nicht konnte, weil ihm die Stimme in der Kehle stockte, und erbsendicke Tränen rannen ihm übers Gesicht. Aber es wäre auch jedes Wort vergeblich gewesen, Sauveterre war, so bleich und hohl, auf seiner schweren Reise schon jenseits aller Worte und Gedanken, sein Blick trübe und starr, und sein Atem ging so pfeifend und mühselig, daß mir das Herz hämmerte vor Verzweiflung, ihm nicht helfen zu können.
    »Pierre«, sagte mein Vater, als die Uhr zehn schlug, »geh etwas essen und einen Becher Wein trinken.«
    Mit niedergedrückten Schultern erhob ich mich, um ihm zu gehorchen, da fuhr Sauveterre plötzlich auf. Ein Blutschwall stürzte aus seinem Mund, seine Hände krampften sich, dann fiel er in jene Reglosigkeit, von der wir, noch bevor wir sein Herz abhorchten, wußten, daß sie ebenso ewig war wie die Freuden, die er sich erhoffte.

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    |72| DRITTES KAPITEL
    Für Jean de Siorac war es eine schwere und klaffende Wunde, daß Jean de Sauveterre ihn verlassen und seine edle Seele in seinem zweiundsechzigsten Lebensjahr Gott anheimgegeben hatte, denn der Mitherr war fünf Jahre älter gewesen als der Baron von Mespech, der nun sein Erbe war kraft jener Verbrüderungsakte von 1545, in welcher die beiden Jeans, bevor sie die Baronie kauften, einander beim Notar zu Sarlat ihr gegenwärtiges und zukünftiges Hab und Gut übereignet hatten.
    Eines jedoch hatten sie einander nicht zusichern können, nämlich gemeinsam aus dieser Welt zu scheiden, wo sie siebenunddreißig Jahre in jener Brüderlichkeit lebten, zu welcher die stürmischen Dienstjahre in der Normannischen Legion sie zusammengeschweißt hatten. Und trotz aller Nöte und Gefahren der Hugenottenverfolgung waren sie niemals voneinander gewichen, unverrückbar Seit an Seite im sarladischen Land wie zwei Felsen, die keine noch so starke Brandung zu brechen oder zu trennen vermochte.
    Von meinem Vater, dessen Kummer ich noch schildern werde, bis zum Letzten unserer Leute, welche Sauveterre ob seiner unbeugsamen Tugend mit großer Ehrerbietung geliebt hatten, war unser armes Mespech nichts wie Schmerz und Trauer und versank in ein düsteres Schweigen. Doch was meinen Vater anging, so schien es mir, als wäre er durch Sauveterres Tod zum zweiten Mal Witwer geworden, derart geriet er aus dem Gleichgewicht durch das Fehlen seines Gefährten, mit dem er sich nicht nur alle Arbeit und Verwaltung der Baronie geteilt, sondern auch den engsten täglichen Umgang gepflegt hatte, indem sie dieselben Bücher lasen, dieselbe Religion ausübten, alles mit einer Stimme entschieden, wiewohl sie sich unaufhörlich stritten, wie man sah, denn diese im selben Glauben und in derselben unverbrüchlichen Freundschaft verbundenen Männer waren von so gegensätzlichem Wesen und Charakter, daß es an ein Wunder grenzte, wie sie einander so sehr hatten lieben können. |73| Weil nun die Trauer und Betrübnis meines Vaters so groß waren, verschob ich abermals meinen Aufbruch von Mespech, wußte ich doch, daß Jean de Siorac bei meinem Bruder François, der selbst in dieser Trübsal und Trauer ein teilnahmsloser und kalter Hausgenosse blieb, keinerlei Trost fand. Und meine kleine Schwester Catherine, sosehr sie meinen Vater auch vergötterte, war seit jenem Brief in ihrem Handarbeitskorb ganz mit inständigsten Wünschen beschäftigt, daß Karl IX. seine schwarze Seele aufgeben und der Herzog von Anjou mit seiner glänzenden Suite aus dem polnischen Exil schleunigst nach Frankreich heimkehren möchten. So in die Wolke ihres Liebessehnens gehüllt, hüpfte sie auf den blühenden Wegen der Zukunft, sah sich schon als Baronin in Paris und im Louvre empfangen, so daß sie den Boden von Mespech kaum mehr berührte, dessen Schwermut ihr junges Herz allerhöchstens streifte.
    Ich blieb also auf Mespech, zunächst nur für Tage, dann, als mein Vater in seinem Schmerz verharrte, abermals einen ganzen Winter. Doch wie endlos wurden

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