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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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gab, Quéribus und mir sein Vergnügen an diesem »unnützen und eitlen Prunk« zu verbergen.
     
    Über all solchen Vorbereitungen verstrich ein reichlicher Monat, und Tag um Tag hätte ich mir vor Ungeduld die Nägel zerbeißen mögen, war meine Angelina mir doch jetzt so nah und |94| trotzdem noch so fern. Mehr Glück als ich hatte mein Miroul, denn im Hinblick auf den Reisezweck durfte er seine Florine noch vorher, auf Mespech, heiraten. Schwesterchen Catherine, die Franchou nicht als Kammerfrau haben konnte, weil sie noch stillte, und die Gavachette, ihrer Frechheiten eingedenk, nicht wollte, erbat sich bei unserem Vater Florine. Für die Reisedauer willigte ich ein, weil ich das liebenswerte blonde Wesen meiner Angelina als Zofe zudachte, denn Miroul wollte in meinem Dienst bleiben, trotz des Goldes, das er (wie ich erzählte) dem bärtigen Mordgesellen der Bartholomäusnacht abgenommen und auf den Rat meines Vaters einem ehrenhaften Juden zu Bordeaux anvertraut hatte, damit es durch Zinsen Bauch ansetze.
    Endlich begann die Reise, meine Schwester auf einem weißen Zelter, neben welchem das feurige Roß von Quéribus aber kaum zu halten war, so daß der Baron ihm von Zeit zu Zeit freien Lauf lassen mußte.
    »Mein Bruder«, sagte ich, als Quéribus und ich in weitem Vorsprung zum Troß nebeneinander ritten, »erhellt mir ein Geheimnis! Ich weilte damals einen guten Monat auf Barbentane, um von der Wunde am Arm zu genesen, doch kam mir in der ganzen Zeit Larissa nicht nur niemals vor Augen, ich hörte auch Vater, Mutter oder Schwester kein einziges Mal ihren Namen erwähnen.«
    »Das hatte Gründe!« sagte Quéribus und seufzte. »Und die sollt Ihr kennenlernen – wozu der Graf mich übrigens beauftragt hat –, nun, da Ihr Euch seiner Familie verbindet. Denn die arme Larissa verursachte den Ihren große Verzweiflung und Leiden, anstatt ihnen ebensoviel Freude zu bereiten wie Eure Angelina.«
    »Sehen sie sich ähnlich?«
    »Wie ein Ei dem anderen. Gestalt, Haare, Augen, Züge, Stimme und Gang – in allem sind die beiden sich so gleich, daß man sie verwechseln könnte, hätte die Natur Larissas Gesicht nicht mit einem unterscheidenden Mal gezeichnet: einer Warze zwischen linkem Mundwinkel und Kinn, derer sie sich immer schämte und die sie unter einem Tupfen Schminke verbirgt.«
    »Trotzdem erkennt man sie daran.«
    »Leider nicht immer! Denn Angelina in ihrer Gutmütigkeit ließ sich von Larissa oft bereden, sich einen Fleck an derselben Stelle zu setzen, was Larissa, als die beiden noch Kinder waren, |95| manchesmal die verdienten Schläge ersparte, die Angelina nicht verdient hatte.«
    »Das war ja Verrat!«
    »Nein, nein, boshaft ist Larissa nicht. Auch sie ist gutmütig, aber von klein auf wild und launisch. Leider«, setzte Quéribus hinzu, »fällt es etwas schwerer, das Übrige zu berichten.«
    Mit gesenktem Kopf, auf die Ohren seines Pferdes starrend, schwieg er eine Weile.
    »Ist es nicht ein Jammer«, fuhr er grüblerisch fort, »daß eine Familie von so hohem Adel, so reich an verschiedensten Tugenden und ob ihrer Ehrbarkeit bekannt, heimgesucht werden konnte vom bösen Geist?«
    »Vom bösen Geist?«
    »Wem sonst?« sagte Quéribus ernster, als ich ihn jemals sah, und, entgegen seinem sonst so stolzen und kühnen Gebaren, wie wenn er vor der Fortsetzung zurückschrecke.
    »Hört denn, Herr Bruder«, fuhr er fort, »die unendlich traurige Geschichte, deren Zeuge ich wurde, als ich, noch jung, zu Barbentane bei meinem Vetter weilte. Die Mädchen gingen ins dreizehnte Lebensjahr, als Madame de Montcalm sich einen Dorfjungen auserkor, ihn reinigte und zu ihrem Pagen machte. Versteht mich recht, ihrem Pagen, sage ich, und nicht ihrem Allerliebsten. Die Tugend der Dame war unanfechtbar und als solche überall bekannt, und der Junge war ihr wie ein Sohn, weil sie keinen hatte, im übrigen wußte sie, daß es bei hohen Pariser Damen Mode war, sich einen kleinen Diener zu halten. Was mich betrifft«, setzte Quéribus schroff hinzu, »so weiß ich, was ich weiß, und würde an Stelle der Herren Gemahle den unziemlichen täglichen Umgang mit diesen Gassenjungen, kleinen Mohren oder auch Zwergen nicht dulden, in welche die galanten Damen des Hofes schier vernarrt sind. Das heißt Versuchung und Lust zu nahe halten. Man braucht sich dann nicht zu wundern, wenn einem die Gattin eines schönen Morgens einen etwas zu schwarzen oder zu kurz geratenen Sohn präsentiert. Und muß man diesen seltsamen Nachwuchs

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