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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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Wunder?« fragte ich, über die Heilung mindestens so erstaunt wie über das Leiden, weil ich an diese dämonischen Besessenheiten nicht glauben konnte, sondern wie Michel de Montaigne meinte, daß |98| Hexen arme Verwirrte sind, die nichts Teuflisches in sich haben, sondern es sich lediglich einbilden und sozusagen eher Nieswurz als Schierling sind. Doch verschwieg ich diese Ansicht vor Quéribus, denn sie widerspricht der verbreiteten Meinung des Jahrhunderts und erscheint den Kirchen gotteslästerlich – der reformierten ebenso wie der papistischen.
    »Es war zwei Monate nach der Bartholomäusnacht«, sagte Quéribus. »Das heißt, Larissa verließ das Kloster vor ungefähr zwei Jahren. Und da ich sie jetzt, von Venedig kommend, wiedersah, kann ich bezeugen, daß sie heute ebenso gesund ist wie Angelina. Und die beiden sind wieder so miteinander vertraut, daß man die eine kaum ohne die andere sieht, eine ist gleichsam der Spiegel der anderen.«
    Dies hörte ich nicht ohne Unbehagen, nicht daß ich gewünscht hätte, die arme Larissa säße noch im Kloster, doch konnte ich mich des Gedankens nicht erwehren, daß die Vergangenheit nicht spurlos an ihr vorübergegangen sei und daß dies ihrer Zwillingsschwester gefährlich sein könnte, war diese doch naiv und liebevoll wie ein Kind.
     
    Die Montcalms bereiteten uns einen wunderbaren Empfang, meinem Vater, Catherine, aber vor allem mir, nicht nur, weil ich ihnen nun der Sohn werden sollte, den das Schicksal ihnen versagt hatte, sondern auch, um sich gewissermaßen von der Unfreundlichkeit reinzuwaschen, mit welcher sie mich in Paris vor den Kopf stießen, als sie ihre Tochter diesem albernen Condomine vermählen wollten.
    Unser Troß langte auf Barbentane zum Abendessen an, und Madame de Montcalm, prächtig in einem leuchtendblauen Gewand und reich geschmückt, raunte mir gütige Worte zu, nachdem ich ihr nach spanischer Sitte die Hand geküßt hatte.
    »Monsieur, geduldet Euch ein wenig«, sagte sie, »Ihr werdet Eure Angelina gleich erblicken, sie macht sich nur noch zurecht.«
    »Madame!« sagte ich, sehr bewegt von diesem Wörtchen »Eure«. »In Geduld habe ich mich all die Jahre geübt, genauso wie Angelina, und seid versichert, daß ich gegen niemanden Groll hege, sondern die Gewissensskrupel respektiere, die den langen Aufschub verursachten.«
    »Pierre«, sagte Madame de Montcalm, die bei diesen Worten |99| dem Weinen nahe war, »Ihr werdet uns ein guter Sohn sein, dessen bin ich ganz sicher. Küßt mich.«
    Und sie bot mir ihre Wangen, auf die ich je einen leichten Kuß setzte, sowohl um ihre Schminke nicht zu verderben, als auch, um mit den Lippen so wenig Blei wie möglich aufzunehmen, woraus nämlich der weiße Puder bestand, denn Blei hatte bei Apothekern nicht den besten Ruf. Nach den samtigen Wangen küßte ich die rauhen des Grafen, der mich obendrein fest umarmte und mir mehrmals auf die Schultern klopfte, doch keiner Worte mächtig, Tränen in den Augen, die Kehle zugeschnürt und überglücklich, glaube ich, daß er seinen papistischen Glauben endlich in Einklang bringen konnte mit der Dankbarkeit, die er mir für sein gerettetes Leben schuldete.
    Ihm zur Rechten wartete Pater Anselme, um mich an seine Kutte zu ziehen und mir nach bäuerlicher Art zwei Schmatzer aufzudrücken, worauf er fröhlich und scherzend mein gutes Aussehen lobte, was meinem Vater sichtlich gefiel, war dieser Geistliche doch kein Heuchler wie so manche seiner Bruderschaft, sondern ein freimütiger, durch und durch kraftvoller Mann, der lachen konnte, daß ihm die Eingeweide im runden Bauche hüpften.
    Den Herrn zu seiner Linken stellte Monsieur de Montcalm mir als Jesuitenpater Samarcas vor, der zu meinem Erstaunen weder Kutte noch Soutane trug, sondern ein schwarzes Sammetwams mit einer großen Halskrause und einem Degen zur Seite, dessen er sich wohl auch zu bedienen wußte, wie mir schien, denn wie der Hauptmann Cossolat zu Montpellier war er ein sehr wohlgestalter Mann, breit in den Schultern, sehnig und geschmeidig bis in die kleinste Bewegung, was den athletisch Geübten verriet. Und wirklich, kaum hörte er, daß Giacomi Fechtmeister sei, als er ihn auch schon zu einem Waffengang am folgenden Tag aufforderte, wobei er sich als trefflicher Kämpfer erwies. Mehr noch, als er sich der Gunst des maestro sicher genug glaubte, sagte er ihm im Vertrauen, er habe in Paris gehört, daß der Italiener als einziger die Jarnac-Finte beherrsche, und da er selbst das Geheimnis

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